Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi
gesagt. Jedenfalls hätte ich bei allem seine volle Rückendeckung. Der denkt, ich habe irgendwelche Schläger oder gar Killer an der Hand. Ich weiß nicht, wie sich so ein Professor den Autohandel vorstellt.“
Moment mal. „Von welchem Osthof reden wir eigentlich?“
„Na von Christian Osthof, Huberts Bruder“, erwidert Tobler ungeduldig.
„Vater Osthof hat über den Chefredakteur versucht mich mundtot zu machen.“
„Sohn Osthof scheint der Meinung zu sein, dass besser nicht nur dein Mund tot ist.“
„Und? Verfügst du über solche Kontakte?“
Autohändler Tobler hebt die Hände, wie um sie in Unschuld zu waschen. „Ich habe nur meine Leute. Die sind da, um mich und das Autohaus zu schützen. Nicht um andere anzugreifen. Könnten sie auch nicht, würden sie auch nicht tun, glaube ich. Natürlich … wenn ich wirklich jemanden brauchen würde … ich könnte Leute fragen, die vielleicht Leute kennen …“
„Und du bist sicher, dass du Osthof nicht missverstanden hast?“
„Er wollte jedenfalls, dass du dich nicht mehr um die Angelegenheit kümmerst. Es ist ihm egal, wie ich das schaffe. Und er ist dann der, der am Ende sauber dasteht.“
Natürlich wäre es schlecht für das Ansehen des bekannten Wirtschaftsmeinungsforschers, wenn herauskäme, dass er mit dabei war, als vor fünfundzwanzig Jahren der Selbstmord seines Bruders vertuscht wurde. Aber ob ihm das nachhaltig schaden könnte? Ist ja doch schon sehr lange her. Und keiner könnte behaupten, Osthof habe Schuld am Tod seines Bruders. Zumindest soviel ich bis jetzt weiß. Wenn Evelyn ihm allerdings gedroht hat … Wenn wir herausfinden könnten, dass er sie ermordet hat … Aber ich weiß nicht, ob Evelyn zu einer ernsthaften Drohung überhaupt imstande gewesen wäre. Und dann würde sich noch die Frage stellen: Hat sie ihm persönlich gedroht oder hat sie seine Frau die Drohung ausrichten lassen? Hat Osthofs Frau mich deswegen voll Panik angesehen? Ach was. Osthof wollte einfach in Ruhe arbeiten. Sie hatte Angst, dass ich ihn stören könnte. Das reicht bei ihr vielleicht für eine Krise.
„Vielleicht war das mit dem Tod von Evelyn auch ganz anders“, sage ich zu Tobler, der durch die grünen Blätter nach draußen späht.
„Nicht besonders eindrucksvoll, diese Redaktion“, sagt er dann.
„Bei uns muss die Zeitung eindrucksvoll sein, nicht die Produktionsstätte. Ist ja kein Schauraum, so wie bei dir. Vesna hat nachgeforscht. Roger hat seit einigen Wochen Geld.“
Ich erwarte einen Ausruf des Erstaunens, jedenfalls ein Zeichen von gespanntem Interesse. Stattdessen wiegt Tobler bloß seinen Kopf.
„Er könnte den Lottoschein gestohlen haben“, füge ich hinzu.
„Wie viel Geld hat er?“, fragt Tobler.
„Weiß Vesna nicht, aber jedenfalls genug, um ein paar Schulden zurückzuzahlen, eine gebrauchte Kawasaki zu kaufen und Lokalrunden auszugeben.“
Tobler kratzt sich nachdenklich am Kinn. „Das könnte er von mir haben“, sagt er dann, ohne mich anzusehen.
Wie bitte? Ich starre ihn an. „Was hast du uns sonst noch alles nicht erzählt? Davon, dass du Christian Osthof gebeten hast, Evelyn zu beschwatzen, damit sie dich zu ihr lässt, habe ich auch erst durch Osthof erfahren!“
Er zuckt mit den Schultern. „Ich bin es nicht gewohnt, alles zu erzählen. War ja auch nicht wichtig. Und es hat leider nichts gebracht. Ich wollte eben alle Möglichkeiten ausschöpfen, Evelyn dazu zu bringen, mit mir zu sprechen und sich von mir helfen zu lassen.“
„Warum warst du eigentlich nach fünfundzwanzig Jahren plötzlich so daran interessiert, sie zu unterstützen?“
„Glaubst du, dass einen das jemals loslässt? Die Nacht damals? Was glaubst du, wie es ist, wenn du Jahrzehnte später einem Wrack begegnest, das einmal eine schöne junge Frau gewesen ist? Eine Frau, in die ich damals verliebt war. Und der ich damals nach dem Tod von Hubert schon nicht helfen konnte.“
Ich nicke. „Du hast Roger also Geld gegeben.“
„Ja. Es war nicht besonders viel. Außerdem war es eine Art Vorschuss. Ich hatte ihn ausfindig machen lassen, was ja nicht schwierig war, Roger lebt seit seiner Geburt in der Siedlung. Ich habe mir gedacht, vielleicht komme ich über ihn an sie heran. Ich wusste, dass er Geld braucht. Er ist Elektriker, auch wenn er seine Ausbildung nicht abgeschlossen hat. Ich kenne mich mit schwierigen Burschen aus. Ich habe ihm gesagt, ich kann ihn in der Firma brauchen.“
„Und? Hast du der Tochter Céline auch Geld
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