Everlasting
Aufregendes wie seine Lippen gespürt. «Everlasting, hä?», hat er gesagt und hat mit den Lippen irgendwie über meinen Hals gestrichen. Und ich habe schlagartig Gänsehaut gekriegt, ich meine überall, nicht bloß am Hals. Und ich habe gesagt: «M-mhm. Habe ich letztes Jahr von Oma Uschi zum Geburtstag geschenkt bekommen», und er hat gesagt: «Du hast eine nette Oma», und ich habe gesagt: «Stimmt», und Kelly Clarkson hat gesungen: «Oh, I can’t believe it’s happening to me», und dann konnte ich auch nicht glauben, dass es mir passierte, weil Moritz mich dann nämlich geküsst hat.
Auf einer Skala von eins bis zehn, wobei zehn für «umwerfend toll» und eins für «nie wieder, nicht in einer Million Jahre» steht, würde ich diesen Kuss ungefähr bei sechs einordnen. Zunächst mal ist Moritz irgendwie nach vorn gestolpert, als er mich geküsst hat, und ich hätte fast das Gleichgewicht verloren. Und dann war sein Kuss auch noch schlabberig. Ich meine, zu viel Spucke, zu viel Zunge, zu viele Zähne und Biergeschmack. Also war ich ein bisschen enttäuscht. Ehrlich gesagt, ziemlich enttäuscht. Hinterher habe ich das Johanna erzählt, und sie meinte: «Schade, weil er echt süß ist», und ich habe gesagt: «Ich hätte es wissen müssen. Was kann man schon von einem erwarten, der Moritz Teichgräber heißt?»
Genug davon. Jetzt muss ich mir überlegen, woher ich ein neues Tagebuch bekomme. Das hier ist fast voll. Und ich muss noch für Robert ein Geburtstagsgeschenk kaufen. Wir gehen nachher shoppen. Madeline und ich treffen uns mit Mama am Markt, im Café, wo sie samstags mit ihren Freundinnen rumhängt, den «Ladies in Black», und Caffè Latte trinkt. Ehrlich. Ich habe noch keine von denen in irgendeiner anderen Farbe gesehen! Schwarz, schwarz, schwarz – und manchmal ein bisschen grau.
Jedenfalls, Mama geht mit mir und Madeline zu Dusenhuber, und da wollen wir irgendwas für Robert suchen. Mama sagt, wir sollten lieber kleinere, unabhängige Buchläden unterstützen, nicht die großenKetten, die den Markt beherrschen, zum Beispiel die nette Krimibuchhandlung am Markt. Aber ich habe gesagt: «Robert mag Darth Vader, nicht Miss Marple. Und außerdem gibt es bei Dusenhuber gemütliche Ledersofas, wo man es sich bequem machen und Bücher lesen kann. Und einen Caffè Latte kriegt man da auch!» Mama hat die Augen verdreht und gesagt: «Na toll.» Ich habe gelacht, weil ich es lustig finde, wenn eine Erwachsene die Augen verdreht. «Und», habe ich dann gesagt, «die haben eine Science-Fiction-Abteilung bei Dusenhuber.» Obwohl ich irgendwie nicht begreife, wieso Robert so was liest. Schon wenn ich die Cover sehe, krieg ich zu viel. Vor allem die von den amerikanischen S F-Büchern , und die liest Robert am liebsten. Da sind immer Männer drauf, denen die Muskeln aus dem Hemd platzen, und entweder sie ballern gerade mit Riesenkanonen, oder sie schwingen Schwerter, und im Hintergrund fliegt immer gerade irgendwas in die Luft. Und wenn mal eine Frau abgebildet ist, dann ist sie halb nackt und hat Riesenbrüste, die aus einem mittelalterlichen Kettenkorsett rausquellen.
Finn musste laut kichern. Sie hatte recht! Er hatte selbst schon solche Bücher gesehen. Im Eisberg gab es einige Exemplare und auch in der New Library of Congress, in Washington. Sie waren zugegebenermaßen alles andere als künstlerisch wertvoll. Und die wenigsten stellten die Zukunft auch nur annähernd korrekt dar.
Und da ist noch was, was ich nicht verstehe: Wieso sind auf Büchern, die in der Zukunft spielen, immer Bilder mit Mittelaltermotiven drauf? Schwerter und Rüstungen und Kettenpanzer. Und warum müssen diese Bücher dermaßen kriegerisch sein? Ich habe Robert mal danach gefragt. Und er hat gesagt: «Weil Science-Fiction was für Jungs ist. Und Jungs kämpfen gern.» Was wahrscheinlich stimmt. «Aber das ist nicht fair», habe ich gesagt, weil ich nämlich auch gern mal was über die Zukunft und Science-Fiction und so lesen würde.Aber wer hat denn schon Lust, was zu lesen, wo es dauernd nur um Kriege und Kriegsspiele geht und um Raumschiffe und Monster aus dem All, die Erd-Frauen entführen? Und Robert hat gesagt: «Das liegt daran, dass du ein Mädchen bist.» Na, ich finde jedenfalls, ein Science-Fiction-Liebesroman wäre doch auch mal schön. Robert hat mich ausgelacht und gesagt: «Nur zu. Schreib doch einen. Wirst ja erfahren, ob den einer liest.» Und vielleicht mache ich das auch. Ich werde ihn «Science-Fiction
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