Everlasting
ja – bei meinem Glück hat er dann bestimmt wieder so einen Schwimmwettkampf. Oder noch schlimmer: Ich habe mich in einen anderen verliebt.
Finn lachte laut auf. Da ist er wieder, dachte er, dieser Humor. Humor und ein feiner Sinn für Ironie – das war bei einem so jungen Menschen etwas Ungewöhnliches. Und so entzückend.
Mittwoch, 21. April 2004
Heute habe ich endlich Moritz in der Schule wiedergesehen, in der großen Pause, aber nur kurz, weil er gesagt hat, er muss ins Mathelabor, weil er am Donnerstag einen Test schreibt. Er hat mich gefragt, ob icham Freitag bei Johanna bin, und ich habe gesagt: «Ist sie meine beste Freundin, oder ist sie meine beste Freundin?» Und er hat gelacht und gesagt: «Ich glaube, ich kann auch auf die Party kommen.» Und ich habe gesagt: «Super», und dann hat er gesagt: «Du riechst gut», und ich habe gesagt: «Ehrlich?» Und dann hat er sich so ein bisschen vorgebeugt und die Nase in die Luft gereckt und so rumgeschnuppert und gesagt: «Mm», und ich habe gesagt: «Everlasting», und er hat gesagt: «Was?» Und ich habe gesagt: «So heißt mein Parfüm. Everlasting», und er hat gesagt: «Ich muss los», und ich habe gesagt: «Tschüss.»
Ich glaub, ich liebe ihn.
Finn schloss das Tagebuch. Sie denkt, sie liebt ihn? Liebe? Was hatte Liebe damit zu tun? Was hatte Liebe überhaupt mit irgendwas zu tun?
Finn stand auf, machte sich eine große Tasse starken Tee, setzte sich wieder, trank einen Schluck, trank noch einen, schaute einen Moment nach draußen auf die Berge, sah, dass es wieder angefangen hatte zu schneien, trank noch einen Schluck Tee, öffnete das Tagebuch, schloss das Tagebuch, stand dann auf, holte seinen Reisekulturbeutel aus der Schublade und nahm ein winzig kleines, schlankes Fläschchen heraus, in das er eine Probe des Parfüms abgefüllt hatte. Er setzte sich wieder in den Sessel. Behutsam zog er dann den Ministöpsel aus dem Fläschchen und inhalierte den Duft der cognacfarbenen Flüssigkeit … . Everlasting … Dieser Grünschnabel Moritz Teichgräber hatte keine Ahnung. Everlasting war nicht einfach bloß «gut». Es war absolut unwiderstehlich – der Hauch der Ewigkeit.
Er lehnte sich im Sessel zurück und schlug die letzten beiden Seiten des Tagebuchs auf. Die Schrift war winzig und zusammengedrängt. Diese Passage hatte er noch nicht übersetzt. Nicht nur, weil die Schrift schwer zu lesen war.Dieser Eintrag war nicht leicht zu übersetzen. So viel Begeisterung, dachte er. So viel Aufregung.
Samstag, 24. April 2004
Moritz war gestern Abend auf Johannas Party. Und Folgendes ist passiert:
Zuerst haben wir beide so getan, als ob uns der andere nicht interessiert. Er hat sich mit den Jungs unterhalten und ich mich mit meinen Freundinnen. Aber irgendwann habe ich in dem dunkelroten Sessel gesessen, und er hat sich neben mich gesetzt. Wir waren richtig zusammengequetscht, und unsere Oberschenkel haben sich berührt und so, weil der Sessel ja eigentlich ein Einsitzer ist. Und wir haben uns unterhalten, über dies und das, zum Beispiel über London und was wir in den Osterferien gemacht haben und so, und auf einmal hat Johannas großer Bruder, der den DJ gemacht hat, Kelly Clarkson mit «A Moment Like This» aufgelegt. Und den Song finde ich einfach super, und ich habe gesagt: «Oh, den Song finde ich super», und da hat Moritz mich gefragt, ob ich tanzen will. Und ich habe losgekichert, weil ich, soweit ich mich erinnern kann, noch nie mit einem Jungen langsam getanzt habe. Außer vielleicht mit Robert. Wahrscheinlich hat Moritz gedacht, mein Kichern heißt Ja, weil er dann meine Hand genommen hat. Meine Hand war ganz verschwitzt, und mir war’s ein bisschen peinlich, aber dann habe ich gedacht, vielleicht ist seine Hand ja auch verschwitzt, und das war sie dann auch, also war’s dann nicht mehr peinlich. Dann hat er seine rechte Hand um meine Taille gelegt, und ich habe meine linke Hand auf seine Schulter gelegt, und dann haben wir getanzt. Und irgendwie haben wir auf einmal ganz ganz eng getanzt, und ich habe gemerkt, wie mein Herz gerast ist, aber seins auch, und es war ganz komisch, zu wissen, dass da zwei Herzen ganz nah beieinander so schnell schlagen. Und dann hat er was zu mir gesagt, aber ich habe ihn nicht verstanden, und er hat mich näher rangezogen und es mir ins Ohr geflüstert. Sein Atem war ganz heiß an meinem Ohr, aberschön heiß, irgendwie aufregend heiß. Ich glaube, mein Ohr hat noch nie so was
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