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Everlasting

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Titel: Everlasting Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly-Jane Rahlens
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Beginn des Tagebuchs war Eliana knapp vierzehn und am letzten Eintrag – als ihre Schwester Madeline starb – fünfzehn Jahre und ein paar Wochen alt. Finn erfuhr, dass Robert nach der Kneipeneskapade an seinem sechzehnten Geburtstag einen Monat lang Hausarrest bekam. Der Nebeneffekt: Er steigerte seinen Notendurchschnitt von 2,8 auf 1,5 – «eine erstaunliche Leistung», kommentierte Eliana. «Und noch erstaunlicher ist, er hatte trotz der Büffelei noch Zeit, sich in seine Chemie-Partnerin zu verknallen, Lisa Anders.» Die Reise, die die Familie über Pfingsten nach Wien unternahm, schilderte sie ebenso detailliert wie die edel verpackten Minipralinen. Ein weiteres Highlight waren die Familienferien an der Ostsee, in Wustrow auf Fischland-Darß, wo Eliana Madeline beibrachte, Kopfsprünge zu machen, «auch ohne sich ein Loch im Schädel zu holen». Eliana schrieb über das Leben in der Schule, die Kabbeleien mit ihren Freundinnen und deren Schwärmereien, aber es waren vor allem die Familienereignisse, die ihm in ihrem Tagebuch so besonders gefielen. Und gerade wegen dieser Schilderungen, so schlicht, aber mit ihrer einzigartigen Ironie gewürzt, schloss Finn das Mädchen ins Herz, ja sogar ihre ganze Familie. Er wollte sie wiedersehen. Es war ihm egal, ob das «heikel» werden könnte. Er wusste einfach, dass erdas tun wollte, sogar tun
musste
. Warum das so war, war ihm ein Rätsel. Aber er fand immer mehr Gefallen an solchen Rätseln.
     
    Finn war ungeduldig. Er wollte schreiben. Sofort. Er ging die wenigen Bücher durch, die er in Berlin besaß, und entdeckte eine alte englischsprachige Taschenbuchausgabe von J.   D.   Salingers «Der Fänger im Roggen», von 1969, die seine Mutter restauriert hatte. Ganz hinten waren zwei leere Seiten, die mussten es für den Anfang tun. Finn fischte ein Schneidemesser aus der Werkzeugkiste seiner Mutter und trennte vorsichtig die beiden Seiten aus dem Buch. Er spitzte einen Bleistift an und nahm beides dann mit nach Greifswald, wo das Übungsbuch war. Ohne Sondererlaubnis durften keine Bibliotheksbestände aus dem Gebäude mitgenommen werden. Er würde in seinem Büro üben müssen.
     
    Finn befolgte die Instruktionen im Heft für die richtige Sitzposition am Schreibtisch und hielt den Stift im korrekten Winkel von 45   Grad. Er würde sich systematisch von vorne nach hinten durch das Heft durcharbeiten, Schritt für Schritt, angefangen mit den Kleinbuchstaben. Es waren acht Familien: von Familie 1, den Buchstaben mit Senkrechtstrich: «i» und «j», bis hin zu Familie 8, die Querstrichbuchstaben «f» und «t».
    Das Schreiben machte Finn richtig Spaß. Er konnte sich vorstellen, dass es für Kinder, die gerade erst lesen lernten, schwieriger war, aber für Erwachsene, die ja schon lesen konnten, war es praktisch ein Kinderspiel. Wieso hatte er nicht schon früher daran gedacht, schreiben zu lernen? Warum hatte die Menschheit diese Fähigkeitüberhaupt verloren? Finn nahm sich vor, noch etwas gründlicher über dieses Thema nachzudenken, aber er durfte nicht vergessen, an Elianas jüngstem Tagebuch weiterzuarbeiten.
    Es war etwas eigentümlich, jetzt, da Madeline gestorben war und er die fünfzehnjährige Eliana kennengelernt hatte, in die Zeit davor zurückzuspringen, aber Dr.   Dr.   Sriwanichpoom und die Europäische Bibliothek warteten auf die Übersetzung. Und er selbst auch – er wollte nun
alles
über Eliana wissen.
     
    6.   Juli 2004
    Gestern waren Madeline und ich Komparsen bei «Die Legende von Frank und Franzi», für das Mama die Kostüme macht. Der Film spielt in der Zeit zwischen 1989 und 2002 und erzählt die Geschichte von Frank aus Westberlin, der zu Beginn 15 ist, und von Franzi aus Ostberlin, die 14 ist, und wie sie sich an der Mauer kennenlernen, einen Tag nachdem sie gefallen ist, und wie sie Freunde bleiben und dann ein Paar werden und sich 13   Jahre später trennen. Madeline und ich sind Franzis Freundinnen vom Prenzlauer Berg, im Jahre 1989.   Wir mussten so richtig hässliche Skijacken tragen. Meine war pink-grün, und Madelines war lila, und wir haben dicke hässliche Schneestiefel getragen, wie Moon Boots, obwohl es weder Schnee noch einen Mond gab. Bloß eine Mauerattrappe, die sie für den Film gebaut haben. Ich hatte sogar etwas Text. Wenn Frank seinen Arm um Franzi legt, muss ich sagen: «Es ist schon spät, komm, wir gehen!» Ich musste das ungefähr 100   Mal sagen. Kein Witz! Jedes Mal, wenn ich es gesagt habe, hat sich

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