Evermore Bd. 6 - Für immer und ewig
wollen, aber das ist auch schon alles. Es ist, als würde man ein Heftpflaster auf eine tiefe, klaffende Wunde kleben. Es trägt nichts dazu bei, den bereits entstandenen Schaden zu heilen.
Es ändert nichts an der Tatsache, dass wir auf dem falschen Weg sind.
Wenn wir erst einmal begreifen, dass wir uns selbst um
die Leben betrogen haben, die wir eigentlich leben müssten, weil wir uns statt für die Unsterblichkeit unserer Seelen für die körperliche Unsterblichkeit entschieden haben, steht das Gegengift nicht mehr im Mittelpunkt.
Wenn Damen und ich wirklich zusammen sein wollen, dann müssen wir viel, viel tiefer gehen. Wir müssen uns eingestehen, dass unsere Probleme nicht erst an dem Tag angefangen haben, als Roman mich überlistet hat, sondern etliche Jahrhunderte zuvor, als Alrik es nicht ertragen konnte, Adelina zu verlieren – und sich zugespitzt haben, als er als Damen wiedergeboren wurde, das Elixier vervollkommnete und den Weg unserer Seelen ein für alle Mal veränderte.
Wenn Damen und ich wirklich zusammen sein wollen, dann müssen wir uns von diesem Weg lösen, wir müssen die Entscheidungen revidieren, die er in der Vergangenheit getroffen hat, wir müssen die gewaltige karmische Schuld abtragen, indem wir die Reise zum Baum des Lebens machen, seine Frucht holen und damit all den anderen die Chance geben, sich selbst ebenfalls zu befreien.
Nur dann sind wir frei weiterzuziehen.
Nur dann können wir wirklich glücklich und in Freuden leben.
Sonst wette ich, dass sich uns irgendein anderes schreckliches Hindernis in den Weg stellt, und dann wird es ewig so weitergehen.
Ich hole tief Luft, registriere jedoch, dass ich sie gar nicht brauche. Es ist, als fühlte ich erneut diesen violetten Schein in mir leuchten. Nie habe ich mich meiner selbst sicherer gefühlt.
»Es gibt etwas, das ich lieber hätte.« Ich sehe Lotos in die Augen, und wir halten den Blickkontakt ziemlich lange. »Ich will meine Bestimmung erfüllen. Ich will meine Reise
vollenden«, sage ich mit fester Stimme, denn ich bin mir sicherer denn je. »Ich will die Aufgabe erfüllen, für die ich geboren wurde.«
Ich höre, wie Damen neben mir scharf Luft holt, und ich weiß, ohne hinzusehen, dass dies zum einen an meinen Worten liegt und zum anderen daran, dass die Zutaten schlagartig verschwunden sind.
Doch ich sehe nicht hin. Zumindest fürs Erste bleibt mein Blick auf Lotos fixiert. Ich sehe sie vor mir stehen, wie sie mir kurz zunickt und mich gedehnt anlächelt, ehe sie sagt: »Wie du willst.«
SIEBENUNDZWANZIG
W ir schweigen lange, nachdem Lotos gegangen ist. Damen kämpft mit Empörung und Schuldzuweisungen, während ich mich auf den Moment vorbereite, in dem ich mich erklären muss.
Schließlich bricht Damen das Schweigen. »Ever, wie konntest du?«, fragt er und sieht mich an. Vier schlichte Worte, die mich bis ins Mark treffen, aber das sollten sie schließlich auch. Kopfschüttelnd versucht er, schlau daraus zu werden. »Wie konntest du das tun?«, fragt er noch einmal. »Wie konntest du einfach alles wegwerfen? Also ehrlich. Das musst du mir erklären, weil es wirklich völlig unbegreiflich ist. Die ganze Zeit hast du dir Vorwürfe gemacht, weil wir nicht richtig zusammen sein konnten. Die ganze Zeit hast du damit gehadert, dass du dich von Roman hast überlisten lassen. Sogar nachdem ich es dir erklärt hatte, sogar nachdem ich dir gesagt hatte, dass du mir letztlich das Leben gerettet und meine Seele vor der Gefangenschaft im Schattenland bewahrt hast, indem du mich hast trinken lassen, warst du immer noch überzeugt davon, einen Fehler gemacht zu haben. Das ging sogar so weit, dass du nur noch darauf fixiert warst, das Gegengift zu ergattern. So unbedingt wolltest du es haben, dass du bereit warst, dafür große Risiken einzugehen. Und jetzt, da du endlich das bekommen hast, wonach du die ganze Zeit gesucht hast, hast du alles leichtfertig weggeworfen, damit
du die Reise einer verrückten alten Frau antreten kannst, um nach irgendeinem Baum zu suchen, von dem ich dir leider sagen muss, dass es ihn nicht gibt!« Er sieht mich an und ballt immer wieder die Fäuste, und in seinem Blick liegen all die Worte, die er sich verkniffen hat. »Deshalb brauche ich jetzt genau eines von dir – ich muss wissen, warum. Warum hast du das getan? Was hast du dir dabei gedacht?«
Ich starre auf meine Füße und lasse seine Worte durch meinen Kopf strömen, wo sie sich zigfach wiederholen, doch obwohl ich seine Frage gehört
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