Evermore Bd. 6 - Für immer und ewig
habe, obwohl ich weiß, dass er auf eine Antwort wartet, hänge ich immer noch an der Formulierung: irgendein Baum.
Er nennt ihn irgendeinen Baum.
Er stellt seine Existenz infrage.
Und ich staune darüber, dass er es nicht erkennt. Staune, dass er nicht begreift, dass es der Baum ist und nicht das Gegengift, was wahre und dauerhafte Erlösung bringt. Dass der einzige Weg darin besteht, unsere körperliche Unsterblichkeit rückgängig zu machen.
Der Baum ist unsere einzige Chance, alles zu verändern.
Aber vielleicht versteht er es ja doch.
Vielleicht versteht er es ja nur zu gut.
Und vielleicht ist er genau deshalb so massiv dagegen.
»Du hast Recht.« Ich sehe ihn an. »Ich habe mich die ganze Zeit verantwortlich gefühlt. Ich habe mich mit Schuldgefühlen rumgeschlagen. Ich war so voller Reue, dass ich mit Magie rumgepfuscht habe, von der ich dringend die Finger hätte lassen sollen. Ich habe sogar versucht, Abmachungen mit Leuten zu treffen, von denen ich mich hätte fernhalten sollen. Ich war so voller Selbsthass und schlechtem Gewissen und habe so verzweifelt versucht, das,
was ich angerichtet habe, wieder rückgängig zu machen, dass ich bereitwillig jedes Risiko eingegangen bin, um es wiedergutzumachen – für dich und für uns. Ich war bereit, alles zu tun, was auch immer nötig war, um zu gewährleisten, dass wir so zusammen sein können, wie wir es wollen, bis meine ganze Welt sich nur noch darum gedreht hat, das Gegengift in die Finger zu kriegen – auf Kosten von allem anderen. Aber jetzt weiß ich, wie falsch und irregeleitet das war. Jetzt weiß ich, dass ich, statt mich ausschließlich darauf zu konzentrieren, das Gegengift zu besorgen, mich lieber darauf hätte konzentrieren sollen, unsere Seelen zu retten.«
Er wirkt unangenehm berührt, doch er vernimmt die Wahrheit meiner Worte. Das sehe ich am Aufblitzen seiner Augen, das indes sofort wieder verschwindet. Seine Entschlossenheit nimmt zu, bis er meinem Standpunkt noch ablehnender gegenübersteht, was mich nur umso mehr zum Weitermachen anspornt.
»Damen, bitte hör mich an. Ich weiß, dass meine Entscheidung zumindest oberflächlich betrachtet ziemlich verrückt aussieht, aber es geht alles viel tiefer. Es ist ganz einfach – ich hab’s endlich kapiert. Endlich hab ich es wirklich richtig verstanden. Wenn Roman nicht dafür gesorgt hätte, uns voneinander fernzuhalten, wäre es etwas anderes gewesen. Der Grund, warum wir nicht zusammen sein können, ist, dass das Universum es nicht erlaubt. Unser Karma erlaubt es nicht. Oder zumindest nicht, bis wir tun, was getan werden muss, um diesen riesengroßen Fehltritt wiedergutzumachen, den du begangen hast. Nicht, ehe wir den Lauf unserer Leben ändern – den Lauf unserer Seelen ändern, indem wir sie wieder in den Zustand zurückversetzen, für den sie seit jeher bestimmt waren. Du hast es selbst gesagt, lange bevor wir uns zu dieser Reise aufgemacht haben,
hast du offen zugegeben, dass das, was wir sind, weder natürlich noch richtig ist. Dass wir nicht das Leben führen, das die Natur vorgesehen hat, dass wir fälschlicherweise die körperliche Unsterblichkeit der Unsterblichkeit der Seele vorgezogen haben. Das sind deine Worte, Damen, nicht meine. Du hast außerdem offen zugegeben, dass es uns beide einen hohen Preis gekostet hat und dass es der Grund dafür ist, warum wir mit all diesen unüberwindlichen Hindernissen konfrontiert werden, der Grund, warum wir andauernd auf eine Weise sabotiert werden, dass wir einfach nicht weiterkommen. Du hast gesagt, es kommt daher, weil Jude immer wieder auftaucht und unserem Glück im Weg steht. Dass er, ohne es zu begreifen, seine eigene Bestimmung auslebt, indem er uns daran zu hindern sucht, die Fehler aus unserer Vergangenheit noch einmal zu machen.«
Ich sehe ihn an, entschlossen, ihm die Augen zu öffnen, entschlossen, zu ihm durchzudringen, und meine Stimme wird immer schriller, bis ich schon fast kreische. »Begreifst du denn nicht, was für eine gigantische Chance das ist? Es ist die greifbare Gelegenheit für uns, wirklich für immer zusammen zu sein, und zwar in der Form, wie es vorgesehen ist. Es ist eine Chance für mich, endlich die Bestimmung zu erfüllen, für die ich geboren wurde. Ebendie Bestimmung, zu der ich jetzt schon seit mehreren Leben aufgefordert worden bin, und nun bin ich endlich bereit und willens, sie anzunehmen. Ich hoffe nur, du findest einen Weg, sie zusammen mit mir anzunehmen.«
Ich beiße mir auf die Lippe und
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