Evermore - Das dunkle Feuer - Noël, A: Evermore - Das dunkle Feuer
Roman zusammen, den eindeutig ich mehr liebe. Er erklärt sich bloß einverstanden, Zeit mit mir zu verbringen, und wir haben ja auch Spaß, und es ist auch nicht so, als gäbe es da ein anderes Mädchen …, na ja, außer dir …« Sie sieht mich an, die Augen so zusammengekniffen, dass ich mich unwillkürlich krümme, doch genauso schnell lacht sie und winkt ab. »Aber es ist so, ganz gleich was du denkst, ganz gleich wie es vielleicht von außen gesehen wirkt, die Wahrheit ist, es ist nie wirklich gleich verteilt. So funktioniert das einfach nicht. Es gibt immer den Jäger und den Gejagten , die Katze und die Maus, so läuft das eben. Also sag mir, Ever, wer liebt in eurer Beziehung mehr - Damen oder du?«
Die Frage erwischt mich kalt, obgleich es eigentlich ziemlich offensichtlich war, dass sie kommen würde. Doch als ich sehe, wie sie geduldig darauf wartet, dass ich antworte, nuschele ich schließlich einen Haufen Blödsinn, der schließlich in dem Satz endet: »Also, äh, ich weiß nicht. Ich habe wohl nie richtig darüber nachgedacht. Ich meine, mir ist zum Beispiel gar nicht aufgefallen, dass …«
»Echt?« Sie rollt sich auf den Rücken und schaut zu der sternengesprenkelten Zimmerdecke empor, die, wie ich aus Erfahrung weiß, im Dunklen leuchtet. »Also, mir schon«, verkündet sie, den Blick noch immer auf das Sternbild über ihr gerichtet. »Und nur damit du’s weißt, es ist Damen, nicht du. Damen ist derjenige, der mehr liebt. Er würde alles für dich tun. Du lässt das alles einfach nur laufen.«
ZWEIUNDDREISSIG
I ch wünschte, ich könnte sagen, dass Havens Worte mir nichts ausmachten. Dass ich das, was sie gesagt hatte, nicht nur von mir weisen, sondern auch ein so überzeugendes Plädoyer für meine Sache halten konnte, dass sie sofort auf meine Seite wechselte. Doch die Wahrheit ist, ich tat oder sagte gar nicht besonders viel. Ich zuckte lediglich die Achseln und gab vor, das Ganze einfach so abzutun, während sie auf voller Lautstärke eine Reihe Songs von ihrem iPod abspielte, die ich noch nie gehört hatte, von Bands, von denen ich nicht einmal wusste, dass sie existierten. Dabei blätterten wir einen Stapel Zeitschriften durch, genau wie früher. Wie in den guten alten Zeiten. Doch so erschien es nur an der Oberfläche. Tief im Innern wussten wir beide, dass alles vollkommen anders war.
Dann, nachdem ich gegangen war und bei Damen hockte, liefen Havens Worte wieder und wieder in meinem Kopf ab, ihre Frage, wer von uns beiden mehr liebte. Und um ehrlich zu sein, heute hatte ich sie auch so ziemlich die ganze Zeit im Ohr. Während des ganzen Frühstücks mit Sabine grübelte ich, während ich in der Buchhandlung Regale einräumte und die Kasse klingen ließ, überlegte ich, war ich es oder er? Selbst während der drei Weissagungen hintereinander, die mit »Avalon« vereinbart worden waren, einschließlich der, die ich gerade abschließe, ging mir die Frage immer wieder durch den Kopf.
»Wow, das war …« Mit vor Staunen weit aufgerissenen Augen sieht die Kundin mich an. »Das war wirklich, wirklich bemerkenswert.« Kopfschüttelnd greift sie nach ihrer Handtasche, und auf ihrem Gesicht zeigt sich eine Mischung aus Erregung, Zweifel und der Sehnsucht zu glauben - die übliche Miene nach einer Weissagung.
Ich nicke und lächele höflich, während ich die Tarotkarten einsammele, die ich um der Show willen ausgelegt habe, aber nicht wirklich benutze. Es ist bloß einfacher, irgendeine Requisite oder ein Werkzeug zu haben - so bleibt das Ganze distanzierter und unbeteiligter. Die meisten Leute kriegen es ziemlich mit der Angst zu tun bei dem Gedanken, dass jemand direkt in ihren Kopf gucken und ihre geheimsten Gedanken und Gefühle belauschen kann. Gar nicht zu reden davon, dass eine einzige rasche Berührung eine lange, komplexe Abfolge von Ereignissen enthüllen kann.
»Es ist nur … Sie sind so viel jünger, als ich erwartet habe. Wie lange machen Sie das schon?«, erkundigt sie sich und hängt sich die Tasche über die Schulter, während sie mich weiterhin mustert.
»Hellsehen ist eine Gabe«, erwidere ich, obwohl Jude mich ausdrücklich gebeten hat, das nicht zu sagen. Er denkt, dass das potenzielle Schüler davon abhalten könnte, sich für seinen Kurs »Entwicklung hellseherischer Fähigkeiten« anzumelden. Doch da der inzwischen so ziemlich nur noch aus ihm und Honor besteht, sehe ich wirklich nicht ein, was es schaden könnte. »Diese Gabe kennt keine Altersgrenze«, füge
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