Evermore - Das dunkle Feuer - Noël, A: Evermore - Das dunkle Feuer
stärker als Damens. Ich frage mich, ob das stimmt. Ob ihm das irgendeinen Vorteil verschafft, ob das bei mir auch so wirken würde, oder ob es mich genauso wahnsinnig und gefährlich machen würde wie ihn und die Seinen.
Ich presse die Lippen aufeinander und gebe mir verzweifelt Mühe, mich zu fangen. Meine Finger werden unruhig,
hibbelig, und ich weiß, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis ich völlig durchdrehe.
»Dein kleines Problem mit Haven tut mir ja so was von leid.« Roman nickt, hebt das Glas und nimmt einen langen Schluck. »Aber die Menschen verändern sich eben, weißt du? Nicht alle Freundschaften sind so angelegt, dass sie auch halten.«
»Ich habe noch nicht aufgegeben.« Ich zucke die Achseln, in meinen Worten liegt viel mehr Überzeugung, als ich wirklich verspüre. »Das kriegen wir bestimmt wieder hin«, füge ich hinzu, und dieser merkwürdige fremde Puls pocht in meinem Innern, als er den Kopf hebt und sein Ouroboros-Tattoo aufblitzen und wieder verschwinden lässt.
»Bist du sicher, Schätzchen?« Er sieht mich an; seine Finger legen sich träge um den Stil seines Glases, während sein Blick an mir hinabgleitet, in seiner typischen langsamen, gemächlichen, intimen Art. Dabei beschließt er, im tiefen V-Ausschnitt meines Kleides zu verweilen, während er sagt: »Ich meine, nichts für ungut, Süße, aber ich bin da anderer Meinung. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass, wenn zwei entschlossene Mädchen dasselbe wollen - na ja, dann kriegt irgendjemand bestimmt ordentlich was ab. Oder noch schlimmer, wie du ja sehr gut weißt.«
Ich trete auf ihn zu - nicht das Ungeheuer, sondern ich, obwohl das Ungeheuer ganz bestimmt nichts dagegen hat, und blicke ihm fest in die Augen. »Aber Haven und ich wollen nicht dasselbe. Sie will dich , ich will etwas ganz anderes.«
Über den Rand seins Glases hinweg schaut er mich durchdringend an; der Kelch verbirgt alles außer seinen stählern-blauen Augen. »Ach ja, und was ist das, Schätzchen?«
»Das weißt du doch.« Ich zucke die Achseln, verschränke die Hände hinter dem Rücken, damit er nicht sehen kann, wie sie zittern. »Hast du mich nicht deswegen hergerufen?«
Er nickt und stellt sein Glas auf einem mit Goldperlen verzierten Untersetzer ab. »Trotzdem, ich würde zu gern hören, wie du es sagst. Würde die Worte zu gern laut ausgesprochen hören - von deinen Lippen in meine Ohren.«
Ich hole tief Luft, betrachte seine Augen mit den schweren Lidern, den breiten, einladenden Mund und die ausladende Brust. Mein Blick wird abwärtsgelockt, zu seinen Bauchmuskeln, und noch tiefer, als ich sage: »Das Gegengift.« Mit Gewalt dränge ich die Worte über meine Lippen und frage mich, ob er auch nur ahnt, was für ein Kampf in meinem Innern tobt. »Ich will das Gegengift« , wiederhole ich, fester diesmal. Und füge hinzu: »Wie du sehr gut weißt.«
Und ehe ich etwas dagegen unternehmen kann, steht er neben mir. Seine Miene ist ruhig und gefasst, seine Hände hängen locker neben dem Körper. Die Kälte seiner Haut überschwemmt mich in einer Woge kühler, süßer Erleichterung. »Du sollst wissen, dass ich dich mit absolut lauteren Absichten hierherbestellt habe. Nachdem ich gesehen habe, wie du die letzten paar Monate gelitten hast, bin ich durchaus bereit, es gut sein zu lassen und dir zu geben, was du willst. Auch wenn’s wirklich Spaß gemacht hat, oder zumindest mir.« Er zuckt die Schultern. »Genau wie du, Ever, bin ich im Begriff weiterzuziehen. Das heißt zurück nach London. Diese Stadt ist zu entspannt für meinen Geschmack, ich brauche ein bisschen mehr Action.«
»Du gehst weg?«, entfährt es mir; die Worte kommen so überstürzt heraus, dass ich mir nicht sicher bin, wer sie ausgesprochen hat.
»Macht dich das traurig?« Er lächelt, und sein Blick forscht in meinem Gesicht.
»Wohl kaum.« Ich setze eine finstere Miene auf, verdrehe die Augen und schaue weg, hoffe, ihn damit von dem Zittern in meiner Stimme abzulenken.
»Ich werde versuchen, das nicht persönlich zu nehmen.« Wieder lächelt er, und sein Ouroboros-Tattoo taucht auf und verschwindet wieder; die glänzenden Augen der züngelnden Schlange suchen die meinen. »Aber ehe ich abhaue, dachte ich, erledige ich noch ein paar Dinge, und da heute doch dein Geburtstag ist, dachte ich, ich fange mit dir an. Gebe dir das Geschenk, das du dir am allermeisten wünschst. Das Eine , wonach du mehr verlangst als nach irgendetwas anderem auf der Welt, das niemand anders,
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