Evermore - Der Stern der Nacht - Noël, A: Evermore - Der Stern der Nacht
einer Handbewegung abtut. »Glaub mir. Es passiert, wenn es passiert.« Sie blickt
nach hinten und kneift die Augen zusammen. »Du brauchst nur zu wissen, dass du es nicht unter Kontrolle haben, dass du es nicht entscheiden und es nicht kommen sehen wirst. Auf die Art macht es doch wesentlich mehr Spaß, findest du nicht auch?«
Doch gerade als sie an der Tür angelangt ist, sicher, davongekommen zu sein, tauche ich direkt vor ihr auf und versperre ihr den Ausgang. »Pass auf, Haven, wenn du Miles, Jude oder irgendjemand anders auch nur anrührst, dann kannst du was erleben …«
Sie schürzt die Lippen, und ihre Augen werden dunkler – dunkler, als ich sie je gesehen habe. »Und was, wenn ich auf Stacia losgehe?« Sie lächelt, obwohl es eher wie ein höhnisches Grinsen aussieht. »Was machst du dann? Riskierst du dein Leben – ja, sogar deine Seele – auch, um sie zu schützen?« Sie hält lange genug inne, dass ich die Worte verarbeiten kann, ehe sie sich in einem vorgetäuschten Anfall von Scham die Hand vor den Mund schlägt. »Ach, was soll’s. Ich hab ja total vergessen, dass sie dafür jetzt Damen hat. Mein Fehler.« Sie grinst erneut, drängt sich an mir vorbei und zur Tür hinaus.
Sie lässt mich allein zurück, in dem Wissen, dass ich vielleicht nur einen kleinen Sieg errungen habe, jedoch ohne jeden Zweifel, dass es mir gelungen ist, ihr meine Botschaft zu übermitteln.
Der nächste Schritt ist an ihr.
ZWEIUNDZWANZIG
E s ist schwer, sich an die neue Spielart der Mittagspause zu gewöhnen, bei der Haven an Tisch A Hof hält, während Miles und ich an unserem gewohnten Tisch C sitzen und alle beide krampfhaft so tun, als würden wir nicht einmal in die Nähe von Tisch D schauen, wo Damen mit Stacia sitzt, obwohl wir beide ziemlich unverhohlen dorthin glotzen.
Doch so schwer der Anblick für mich auch ist, Damen und ich sind zu einer neuen Vereinbarung gelangt – einer, bei der wir unsere jeweilige Verantwortung in der Gegenwart akzeptieren, während ich mir Zeit lasse und versuche, die Sünden aus seiner Vergangenheit zu akzeptieren. Trotzdem weiß ich tief drinnen, dass es das wert ist. Es ist den Schmerz wert, ihn so zu sehen, die Art, wie er mich anschaut, die Art, wie er über Stacia wacht – das alles ist es wert, denn solange ich hier bin und Damen dort, ist Haven im Zaum.
Nicht unter Kontrolle, aber im Zaum.
Und niemand wird verletzt.
Ich drehe den Deckel von meinem Elixier ab und trinke einen großen Schluck. Hektisch sehe ich mich um und registriere, wie sich Honor abstrampelt, um ihren Platz neben Haven zu behaupten – sie müht sich schlimmer ab, als sie es bei Stacia je musste, während Craig und ein paar seiner Freunde offen erleichtert darüber sind, so leicht davongekommen
zu sein. Sie müssen zwar an einem weniger angesagten Tisch sitzen, doch es könnte schlimmer sein. Wenn seine Verbindung zu Honor nicht wäre sowie die Tatsache, dass sie noch immer etwas für ihn empfindet, würde es ihm garantiert genauso schlecht ergehen wie Stacia.
»Es ist, als wären wir in einer Bizarro-Welt gelandet, in der alles auf dem Kopf steht«, sagt Miles zwischen zwei Löffeln Vanillejogurt, wobei er sich ebenso beklommen in der Umgebung umsieht wie ich. »Ich meine, alles wurde komplett umgekrempelt. Alles, was ich über diese Schule zu wissen glaubte, über die Guten, die Bösen und die Potthässlichen, ist jetzt völlig anders, und das nur ihretwegen.« Er nickt zu unserer einstigen Freundin hin und beobachtet sie einen Moment, ehe er sich wieder mir zuwendet. »War es so für dich, als Roman die Macht übernommen hat?«
Ich wende mich mit großen Augen zu ihm um. Er hat mich kalt erwischt. Wir reden eigentlich nie über die Zeit damals, als Roman alle hypnotisiert und gegen mich aufgehetzt hat. Das zählt mit zu den schwärzesten Zeiten meines Leben – zumindest dieses Lebens.
Trotzdem nicke ich. »Ja, das war ganz ähnlich.« Mein Blick wandert zu Damen hinüber, und ich muss daran denken, wie er auch damals bei Stacia saß. »Sogar sehr ähnlich.«
Ich spiele mit dem Deckel meiner Elixierflasche, drehe ihn hin und her und her und hin, während ich in Gedanken in die Vergangenheit abtauche. Immer wieder lasse ich die schmerzlichsten Szenen Revue passieren, ehe ich mir sage, dass ich diese Zeit ebenso überstanden habe, wie ich auch diese überstehen werde. Wie Ava sagt: Es geht alles vorbei.
Allerdings schärft sie mir dabei auch immer ein, dass der Satz in doppelter Hinsicht
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