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Evermore - Der Stern der Nacht - Noël, A: Evermore - Der Stern der Nacht

Evermore - Der Stern der Nacht - Noël, A: Evermore - Der Stern der Nacht

Titel: Evermore - Der Stern der Nacht - Noël, A: Evermore - Der Stern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alyson Noël
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und sieht Jude weiterhin unverwandt an. »Ich habe ja zweifellos einige abscheuliche Dinge getan, so im Lauf der letzten …« Er wirft mir einen raschen Seitenblick zu, da er
sich immer noch nicht daran gewöhnt hat, es laut auszusprechen, obwohl er sich allmählich damit anfreundet. »Im Lauf der letzten sechshundert Jahre.«
    Wir beide beobachten Jude, der mit seinem Stuhl so weit nach hinten kippelt, wie es nur geht, und einen kurzen Blick zur Decke schickt, ehe er sich wieder nach vorn sinken lässt. Sein Blick bohrt sich in Damens Augen. »Mal ehrlich, Mann, worum geht’s überhaupt?«
    Damen blinzelt, während ich unbehaglich hin und her rutsche. Das war keine gute Idee. Wir hätten nie einfach so hier auftauchen sollen.
    Jude lehnt sich vor, stützt die Ellbogen auf und streicht sich die Dreadlocks aus dem Gesicht. »Also echt, wie ist das eigentlich?«
    Damen nickt, stößt ein schnaubendes Lachen aus und wird sichtlich lockerer. Die Anspannung verschwindet aus seiner Miene, und er setzt sich bequemer hin, indem er einen Fuß aufs Knie legt und die Sohle seines Flipflops immer wieder gegen die Ferse klatschen lässt. »Tja, man könnte wohl sagen, dass es …« Er hält inne und sucht nach dem richtigen Wort. » Lang war. Richtig lang.«
    Jude nickt auf eine Weise, die zeigt, dass er mehr wissen will, und Damen tut ihm den Gefallen. »Offen gestanden«, beginnt er und zupft am ausgefransten Saum seiner alten Jeans, »ist es manchmal ein bisschen anstrengend. Und manchmal ist es regelrecht niederschmetternd — vor allem wenn du zusehen musst, wie dieselben blöden alten Fehler immer wieder gemacht und mit denselben lahmen Ausreden entschuldigt werden.« Er schüttelt den Kopf, gefangen in einem Strom von Erinnerungen an Ereignisse, von denen die meisten Leute nur aus Geschichtsbüchern erfahren. Auf einmal wird seine Miene schlagartig heiterer,
und er spricht sogar mit einem Lächeln weiter. »Und das sind nur die Fehler, die ich gemacht habe. Aber es gibt auch Momente von so unfassbarer Schönheit und Freude, dass es doch die ganze Sache wert ist, weißt du?«
    Jude nickt eher nachdenklich als zustimmend, als müsste er das Gesagte erst noch verarbeiten.
    Doch Damen spricht sogleich weiter. »Warum, hast du Interesse?«, fragt er. »Willst du es mal ausprobieren?«
    Jude und ich sehen ihn alle beide mit großen Augen an, außer Stande zu erkennen, ob er das ernst meint.
    »Ich kann dir nämlich dazu verhelfen. Ich kenne da einen Typen …«
    Erst als sich seine Lippen zu einem Grinsen verziehen, begreife ich, dass er einen Witz gemacht hat, und lehne mich erleichtert zurück.
    »Es ist allerdings so«, fährt er wieder mit ernster Miene fort, »letztlich läuft es alles aufs Gleiche hinaus. Ich lebe jahrhundertelang, du lebst vielleicht ein Dreivierteljahrhundert lang, aber wir sind alle stets mit dem beschäftigt, was direkt vor uns liegt – oder noch öfter mit dem, was außer Reichweite zu sein scheint.«
    Wir sitzen schweigend da, während die Worte lastend zwischen uns stehen. Ich sehe auf meine Knie hinab, weil es mir unangenehm ist, woandershin zu schauen. Dies ist der Moment, dessentwegen wir gekommen sind, und ich weiß, dass Damen mehr als bereit dazu ist, jede Erklärung oder Entschuldigung zu liefern, die Jude fordern mag.
    Doch Jude sitzt nur da und spielt an einer Büroklammer herum, die er auf seinem Schreibtisch gefunden hat, dreht und verbiegt sie, bis sie so verunstaltet ist, dass sie mit ihrer ursprünglichen Form nichts mehr gemein hat.
    Schließlich sieht er auf. »Verstehe«, sagt er und schaut
zwischen uns hin und her. Sein Blick bleibt an mir haften, bis ich ihm in die Augen sehe. »Echt, ich versteh es wirklich. « Seine Miene ist so ernst, dass ich keinen Zweifel an seiner Aufrichtigkeit hege. »Aber falls du hierhergekommen bist, um dich zu entschuldigen oder zu versuchen, es wiedergutzumachen oder was auch immer, dann vergiss es einfach.«
    Ich ziehe geräuschvoll den Atem ein, während Damen regungslos dasitzt und darauf wartet, dass Jude weiterspricht.
    »Ich meine, ich sag’s ganz offen – für mich stinkt die ganze Sache.« Er versucht zu lachen, schafft es aber nicht ganz. Er ist mit dem Herzen nicht dabei. »Trotzdem kann ich es echt begreifen. Ich weiß, dass es nicht nur darum ging, fair oder nicht fair zu spielen. Ich weiß, dass es nicht nur um deinen immensen Reichtum oder irgendwelche Zaubertricks ging. Und ich weiß auch, dass es wahrscheinlich wahnsinnig unfair

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