Evernight Bd. 2 Tochter der Dämmerung
Superreichen eine solche Ankündigung machen können. Raquel, die neben ihm stand, riss die Augen auf. Vic fuhr fort: »Also wenn ich nach Italien fahren würde, dann würde ich ja lieber Rom besuchen. Mir all die Ruinen ansehen, wo die Gladiatoren gekämpft haben und so was. Nicht einfach nur in einem bonzigen Haus mitten in einer Weingegend festhängen und das, obwohl ich noch nicht einmal alt genug bin, um etwas zu trinken.«
»Ich habe gehört, dass die Altersgrenze beim Alkohol in Europa niedriger liegt«, warf Raquel ein.
»Das stimmt, aber versuch das mal meiner Mom zu erzählen.« Vic blieb stehen, als wir den Eingang zum Nordturm erreicht hatten, wo es zu den Schlafräumen der Jungen ging. Ich rechnete damit, dass er sich einfach von uns verabschieden würde, doch stattdessen spähte er die Wendeltreppe hoch. »Da oben geht etwas Seltsames vor.«
»Seltsam?« Raquel drücke ihre Bücher fester an sich. »Auf eine geisterhafte Weise seltsam?«
»Nein, das glaube ich nicht. Es ist irgendwie anders seltsam. Normalerweise ist es ihnen herzlich egal, ob abends noch Leute auf der Treppe herumsitzen - ihr wisst schon, wenn man noch mit jemandem rumhängen möchte, ohne dem Zimmerkameraden auf die Nerven zu gehen. Hin und wieder raucht Balthazar da oben auch eine Zigarette und bläst den Rauch aus dem Fenster. Aber als Ranulf und ich uns letzte Nacht mal kurz auf die Treppe schleichen wollten, erschien wie aus dem Nichts Professor Iwerebon und machte uns die Hölle heiß, was uns denn einfiele, auch nur daran zu denken, da hochzusteigen.«
»Ich wette, das hat was damit zu tun«, sagte Raquel, »mit den Geistern, meine ich. Das ist doch eigentlich dieses Jahr immer der Grund, wenn sich Leute komisch benehmen.«
Ich wusste, dass sie in Wahrheit versuchten, die Schüler von Charity fernzuhalten - oder andersherum. »Ich würde mir deswegen keine Sorgen machen«, sagte ich. »Was immer es ist: In zwei Wochen sind wir alle hier raus.«
»Es sei denn, die Zeit dehnt sich weiter derartig aus.« Vic grinste und winkte uns lässig zu, als er in den Schlaftrakt einbog.
Während Raquel und ich den Hauptflur in Richtung unseres eigenen Turmes weitergingen, sagte sie: »Da kommt Ärger auf uns zu.« Ich blickte nach rechts und sah meinen Vater zielstrebig auf uns zusteuern.
»O nein.« Aber ich konnte nirgendwohin verschwinden. »Bleibst du bei mir?«
»Das würde ich, aber du weißt, dass er mich am Ende doch wegschicken wird. Je schneller ich verschwinde, umso eher hast du es hinter dir.«
Sie hatte recht. Ich seufzte. »Okay, dann reden wir später weiter.«
Raquel ging in die Richtung des Raums, den wir vor einer Weile noch gemeinsam bewohnt hatten, sodass ich allein zurückgeblieben war, als mein Vater mich erreichte. »Ich will mich mit dir unterhalten«, sagte er.
»Na wenigstens einer von uns beiden will das.«
Dad schätzte patzige Erwiderungen überhaupt nicht, aber ich konnte sehen, wie er jede zornige Antwort auf meine Bemerkung runterschluckte. »Du bist aufgebracht. Das kann ich verstehen. Ich nehme an, dazu hast du auch jedes Recht.«
»Du nimmst das an ?«
»Du brauchst jemanden, auf den du wütend sein kannst? Dann sei auf mich wütend. Schließlich war es meine Entscheidung, die Dinge auf diese Weise zu regeln, und falls ich einen Fehler gemacht habe, dann tut mir das leid.« Ehe ich ihn fragen konnte, was er mit falls meinte, fuhr er auch schon fort: »Aber wie lange willst du das deiner Mutter noch antun?«
»Ich tue ihr gar nichts an.«
»Du schließt sie aus. Du ignorierst sie. Glaubst du, dass du damit ihre Gefühle nicht verletzt? Dass du die einzige Person in der Familie bist, die verletzt werden kann? Das zerreißt sie innerlich. Ich kann es nicht aushalten, sie so leiden zu sehen, und kann nicht glauben, dass du das ertragen kannst, vor allem, weil du dafür verantwortlich bist.«
Eine Erinnerung blitzte in meinem Kopf auf: Mom mit Nadeln im Mund, als sie mir mein Haar für den Herbstball aufsteckte. Ich versuchte, nicht daran zu denken. »Ich kann keine Beziehung zu Leuten haben, die nicht ehrlich mit mir sind.«
»Du betrachtest diese Situation ausgesprochen einseitig. Du bist ein Teenager, da gehört es vielleicht dazu, dass …«
»Das hat nichts damit zu tun, dass ich ein Teenager bin!« Rasch schaute ich mich um, aber es waren keine Schüler in Sicht, weder menschliche noch welche von den Vampiren. »Sag mir, was geschehen wird, wenn ich mich weigere, je einen Menschen zu
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