Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Evernight Bd. 2 Tochter der Dämmerung

Evernight Bd. 2 Tochter der Dämmerung

Titel: Evernight Bd. 2 Tochter der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gray
Vom Netzwerk:
Türgriff und dachte, ich hätte es geschafft, als Raquel beiläufig fragte: »Nimmst du denn dein Teleskop gar nicht mit?«
    O nein. Natürlich würde ich mein Teleskop mitnehmen müssen, wenn ich angeblich einen Meteoritenschauer beobachten wollte. Es war schwer und musste sehr vorsichtig behandelt werden, aber es wäre durchaus möglich, es hinaus aufs Schulgelände zu schaffen. Es den ganzen Weg nach Amherst mit mir herumzuschleppen war allerdings undenkbar. Ich hatte geglaubt, ich hätte jedes Detail meines Fluchtplans genau durchdacht. Wie konnte ich nur etwas so Grundlegendes vergessen?
    »Ich habe noch ein zweites«, log ich, denn es war das Einzige, was mir beim Hinausgehen einfiel. »Teleskop, meine ich. Es ist zwar nicht so gut wie dieses hier, aber viel leichter. Ich dachte mir, ich hole lieber das aus der Wohnung meiner Eltern.«
    »Klingt sinnvoll.« Raquel blickte von ihrer Schere auf, und wir schauten einander ins Gesicht. Sie sah ein wenig bedrückt aus; auch wenn Raquel es nie zugeben würde, dass sie mich am Wochenende vermissen würde, dürfte doch ebendies der Fall sein. »Dann bis morgen.«
    »Bis morgen.« Von Schuldgefühlen geplagt, fügte ich hinzu: »Nächstes Wochenende machen wir was zusammen. Überleg dir doch was Nettes, was wir tun können.«
    »Hier? Ja klar.« Sie vertiefte sich wieder in ihre Arbeit, und ich konnte endlich verschwinden.
    Als ich aufs Schulgelände hinaustrat, brach bereits die Dämmerung an. Das Abendzwielicht war meine liebste Tageszeit, und für mich fühlte es sich viel mehr wie ein Sonnenaufgang an. Der Himmel war von einem milchigen Grauviolett, und ich genoss den Anblick, während ich ans andere Ende des Geländes und in den Wald hinauslief. Meine Ohren waren geschärft und lauschten auf die Geräusche der Nacht: auf meine eigenen Schritte auf den weichen Fichtennadeln, den Ruf einer weit entfernten Eule und - von sehr weit her - das träge Lachen eines Mädchens, das mich zu der Überzeugung brachte, dass sie mit einem Jungen draußen war.
    Ich lief immer weiter und bemerkte dabei, wie viel besser als letztes Jahr mein Gehör war. Vielleicht hatte ich mich so an den ständigen Geräuschpegel in Evernight gewöhnt, dass mir der Unterschied sonst nicht so auffiel, aber hier draußen im Wald war er mehr als offenkundig.
    Das Flattern von Vogelflügeln, der Verkehrslärm auf der nächstgelegenen Straße, das alles war klar und deutlich zu hören. Nur dass das vorher nicht der Fall gewesen war.
    Ich hätte allerdings früher auch nicht darüber nachgedacht, wie gut das Blut eines Vogels schmecken würde.
    Die Vampirin in mir drängte an die Oberfläche. Und das Beisammensein mit Lucas brachte ohnehin die Vampirin - die hungrige Jägerin - in mir mit größerer Macht als vorher zum Vorschein. Vielleicht war nicht nur ich es, die mit dem heutigen Treffen ein Risiko einging.
    Lucas war mir wichtig. Ich würde ihm niemals wehtun.
    (Wenn ich ihn noch einmal beißen und genug Blut trinken würde, dann würde er ein Vampir werden, und wir beide würden für alle Zeit zusammenleben können.)
    Ich schüttelte den Kopf und versuchte zu verhindern, dass die Pferde mit mir durchgingen. Stattdessen setzte ich meinen Weg fort, bis ich an der Straße ankam. Von da ab war es nur noch ein kurzer Marsch bis zu der einsamen Vierwegekreuzung. Ich suchte mir einen Platz an der Straße, die ins nahegelegene Riverton führte, und wartete.
    Fünf Autos und ein Motorrad fuhren vorbei, doch die waren nutzlos für mich. In meinem Versteck in der Böschung seufzte ich frustriert.
    Aber das Glück war auf meiner Seite, denn schon von Weitem sah ich den Wäscheservice, der einmal in der Woche nach Evernight kam, um Bettzeug und Handtücher zu holen. Wie immer hatte der Fahrer die Musik zur vollen Lautstärke aufgedreht. Er musste gerade aus der Schule kommen, was bedeutete, dass er auf dem Rückweg war, und der Firmenhinweis auf den Seiten des Lieferwagens bestätigte meine Erinnerung, dass die Wäscherei ihren Sitz in Amherst hatte.
    Das Auto hielt am Stoppschild. Ich rannte zur Hintertür des Lieferwagens, die glücklicherweise nicht verriegelt war. Beim Klicken des Schlosses zuckte ich zusammen, aber Gott sei Dank schien es von der lauten Musik übertönt zu werden. Mit einem Satz sprang ich zwischen die Wäschebündel und zog eben die Tür wieder zu, als der Wagen anfuhr.
    Na siehst du? Das war doch ein Kinderspiel . Ich war gleichzeitig so nervös und aufgedreht, dass ich gegen ein

Weitere Kostenlose Bücher