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Evernight Bd. 2 Tochter der Dämmerung

Evernight Bd. 2 Tochter der Dämmerung

Titel: Evernight Bd. 2 Tochter der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gray
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aufsteigendes Kichern ankämpfen musste. Stattdessen rollte ich mich zwischen den Wäschesäcken zusammen, um wie ein weiteres Bündel auszusehen, falls der Fahrer zufällig einen Blick in den Laderaum werfen würde. Alles roch ein wenig muffig, aber nicht unangenehm, und bei der ganzen Polsterung rings um mich herum versprach meine Fahrt ganz bequem zu werden.
    Es dauerte schätzungsweise eine Stunde, nach Amherst zu kommen. Ungefähr nach dieser Zeit riskierte ich einige kurze Blicke durch das kleine Rückfenster hinaus. Sobald wir Amherst erreicht hätten, würde ich den nächsten Halt nutzen und wieder aus dem Wagen springen - ungesehen, wie ich hoffte. Danach würde ich ein Taxi nehmen oder laufen müssen, was immer nötig war, um den Bahnhof zu erreichen.
    Um Mitternacht würde ich in Lucas’ Armen liegen.

5
    »Hu-hu. Hey, Süße!«
    Das Auto fegte an mir vorbei und war mit viel zu hoher Geschwindigkeit auf dem Weg in Amhersts Innenstadt. Einige Jungs aus Studentenverbindungen hingen aus den Fenstern und brüllten jedem Mädchen hinterher, das sie entdecken konnten.
    Ich hatte geglaubt, dass es um diese Zeit schon ziemlich leer auf den Straßen sein würde. Dabei hatte ich allerdings vergessen, dass Amherst eine College-Stadt war und dass sich vielleicht drei oder vier Universitäten innerhalb der Stadtgrenzen drängten. Amherst schien auch kurz vor Mitternacht nicht zur Ruhe zu kommen; die jungen Leute um mich herum liefen sich gerade erst warm, um sich dann ins Nachtleben zu stürzen.
    Junge Leute? Die mochten rein äußerlich höchstens fünf Jahre älter als ich sein. Ihre Gesichter und Körper waren reifer als die der Schüler in Evernight, und es war eine seltsame Vorstellung, dass sie bereits länger als Balthazar gelebt hatten. Aber wenn ich in Evernight war, konnte ich die Weltgewandtheit und die Stärke meiner Klassenkameraden spüren. Ihre Gesichter waren jung, aber die Jahrhunderte spiegelten sich in ihren Augen. Verglichen mit ihnen waren diese rauchenden Collegejungs, die sich gegenseitig auf dem Gehweg anrempelten, nur kleine Kinder.
    Aber was war denn dann ich?
    Darüber wollte ich nicht weiter nachgrübeln, denn im Augenblick war ich viel zu glücklich, um trüben Gedanken nachzuhängen, wie den Lügen, die ich erzählt hatte, den Regeln, gegen die ich verstieß, oder den Konsequenzen, die folgen konnten. Alles, was zählte, war, dass ich Lucas wiedersehen würde.
    »Entschuldige.« Ein Mädchen schob sich durch die Menschenmassen auf mich zu. Ihr blondes, lockiges Haar war zu einem Knoten zusammengebunden, aus dem sich einige Strähnen gelöst hatten. »Kann ich eine Zeit lang neben dir laufen?«
    Ich war drauf und dran, ihr zu sagen, dass sie mich wohl mit jemandem verwechselte, als sich unsere Blicke trafen, und alles, was mir gerade noch auf der Zunge gelegen hatte, wurde von einem einzigen Wort verdrängt: Vampirin .
    Es war keineswegs so, dass sie sich groß von den anderen Menschen ringsum unterschieden hätte, zumindest nicht offensichtlich. Aber in meinen Augen hob sie sich so strahlend aus der Masse heraus wie ein loderndes Feuer. Schon mein ganzes Leben lang war ich in der Lage gewesen, auf den ersten Blick Vampire von Menschen zu unterscheiden. Das Ding war nur, dass dieses Mädchen auch für eine Vampirin anders aussah. Sie war das jüngste Vampirmädchen, das ich je zu Gesicht bekommen hatte. Ihr herzförmiges Gesicht war noch vom gleichen Babyspeck gerundet, den ich auch beim eigenen Blick in den Spiegel sah, und sie hatte weit auseinanderstehende, samtbraune Augen. Ihr Lächeln war beinahe schüchtern. Auf dem Hals neben der Hauptschlagader hatte sie ein rotweinfarbenes Muttermal, und zwar ausgerechnet dort, wo sie vermutlich gebissen worden war. In mir regte sich sofort ein Beschützerinstinkt, als wäre es meine Aufgabe, mich um sie zu kümmern - um dieses verloren wirkende junge Mädchen in Klamotten, die nicht zueinander passten. Ihr Sweatshirt war zerrissen und hing über einem Rock mit ausgefranstem Saum.
    »Warte.« Ihr Gesichtsausdruck ähnelte dem, den man auf Porzellanpuppen malt, und er war zugleich unschuldig und schelmisch. »Du hast etwas an dir, das … Du bist nicht wie … Oh. Du bist eines der Babys. Unserer Babys, meine ich.«
    Ich war beeindruckt davon, dass sie es so schnell herausgefunden hatte, vor allem, wenn man bedachte, dass die meisten Vampire nie jemandem wie mir begegnet waren: einer Vampirin, die als solche geboren und nicht durch einen Biss zu

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