Evernight Bd. 2 Tochter der Dämmerung
zufällig in die Arme gelaufen seid«, wandte sich Kate an uns, und ihre Augen wurden schmal, als sie Lucas fixierte. Sie trug olivfarbene Tarnhosen und ein schwarzes Hemd mit vielen Taschen; ihr dunkelblondes Haar war zu einem mächtigen Pferdeschwanz zusammengebunden. »Lucas, sag mir nicht, du bist an diesen Ort zurückgekehrt.«
»Nein, ich war nicht in Evernight«, antwortete Lucas. »Ich habe Bianca gebeten, mich hier zu treffen. Aber wenn ich in die Schule zurückmüsste, um sie wiederzusehen, dann würde ich das tun.«
»Es ist zu gefährlich.«
»Kannst du mir mal verraten, wo auf der Welt wir nicht in Gefahr sind, Mom? Ist es in Evernight etwas anderes, nur weil sich die Lage dort mehr als sonst zugespitzt hat?«
Das war ein wenig untertrieben, wenn man bedachte, wie mein Vater und Balthazar ihn letztes Jahr verfolgt hatten, aber ich wollte ihm nicht in den Rücken fallen, während er seine Entscheidung verteidigte, mit mir in Kontakt zu bleiben.
Kate seufzte, dann schüttelte sie den Kopf und wandte mir ihren Blick zu - nicht gerade freundlich, denn nichts an ihr war freundlich, aber in einer Weise, die deutlich machte, dass sie nicht mich für die Gefahr verantwortlich machte, in die Lucas und ich geraten waren. »Ich bin froh zu sehen, dass dir nichts passiert ist, Bianca, denn ich habe mich ja nicht darauf verlassen können, dass die Blutsauger ihr Versprechen, das sie letztes Jahr gaben, auch halten würden.«
Diese Blutsauger sind meine Eltern , wollte ich entgegnen, doch stattdessen antwortete ich: »Haben sie aber. Ich bin wieder in der Schule, und wir tun einfach alle so, hm, als wenn nichts gewesen wäre.«
Lucas half mir aus der Patsche: »Wahrscheinlich denken sie, selbst wenn du jemandem davon erzählen würdest, würde dir sowieso keiner glauben.« Ich hoffte, unsere Erklärungen klangen überzeugend.
»Es war sehr tapfer, was du getan hast: dich selbst zu opfern, um uns vor dem Feuer zu bewahren«, sagte ein älterer Mann, der hinter Dana saß. Er hatte mir damals seinen Namen genannt - Mr. Watanabe, wie mir wieder einfiel.
»Ich glaube, du hast uns alle gerettet.«
»Ja, Bianca, das war wirklich eine Meisterleistung von dir.« Dana legte mir ihre Hände auf die Schultern und drückte kräftig. »Ernsthaft: Du hast echt Nerven!«
»Es war keine Meisterleistung. Zu so etwas wäre ich gar nicht fähig.« Das halbe Dutzend Leute im Bus lachte, obwohl ich eigentlich gar keinen Scherz gemacht hatte. Trotzdem löste das meine Anspannung ein bisschen.
Letztes Jahr, als Lucas als ein Mitglied des Schwarzen Kreuzes aufgeflogen war, war er gezwungen gewesen, aus der Evernight-Akademie zu fliehen, und ich war nicht von seiner Seite gewichen. Gemeinsam hatten wir Kates und Eduardos Aufenthaltsort erreicht und damit einen sicheren Hafen, jedenfalls so lange, wie das Schwarze Kreuz nichts davon ahnte, dass auch ich eines Tages eine Vampirin werden würde. Aber Mrs. Bethany, meine Eltern und eine Reihe anderer Vampire hatten uns aufgespürt. Als ich meinen Eltern zurück nach Evernight gefolgt war, hatte ich damit nicht nur eine Auseinandersetzung abgewehrt, sondern ich hatte auch verschwinden können, ehe das Schwarze Kreuz herausfand, was ich wirklich war. Sie waren noch immer davon überzeugt, dass ich ein menschliches Mädchen war, das von Vampireltern entführt und großgezogen worden war. Und in diesem Glauben musste ich sie unbedingt lassen.
Wir fuhren an die Rückseite eines der verlassenen Gebäude heran. Kate ließ die Scheinwerfer des Busses aufblitzen: an, aus, aufblenden, aus, aufblenden. Eine Metalltür wie von einem Laderaum begann sich zu öffnen, und dahinter tauchte eine Einfahrt auf, die steil nach unten führte. Wir fuhren in das unterirdische Parkhaus hinein, das so ziemlich wie jedes andere auch aussah, außer dass es von Laternen erleuchtet wurde, die an den Betonsäulen angebracht waren. Als Kate um eine Ecke bog und im Lichtschein einer solchen Laterne anhielt, sah ich, dass einige Trennwände errichtet worden waren, zum Teil aus aufeinandergestapelten Kartons, an einigen Stellen aber auch nur aus Zeltplanen, die über gespannte Seile gehängt worden waren, um diesem muffigen Ort mehrere Räume abzugewinnen.
Ich konnte nicht verhindern, dass meine Stimme überrascht klang, als ich fragte: »Das ist das Hauptquartier des Schwarzen Kreuzes?«
Alle lachten. Lucas drückte meine Hand, um mir zu versichern, dass das Gelächter nicht unfreundlich gemeint war. »Wir
Weitere Kostenlose Bücher