Evernight Bd. 2 Tochter der Dämmerung
wirklich in der Welt vor sich geht, und uns kennen. Und immer mal wieder bekommen wir auch Hinweise von Vampiren. Sie versuchen, sich selbst freizukaufen, indem sie uns erzählen, dass es um die Ecke noch jemanden gibt, der viel gefährlicher ist als sie. Ab und zu sagen sie die Wahrheit. Wir haben erfahren, dass diese Gang ungefähr einen Mord pro Woche begeht, und das ist eine Menge, sogar für die tödlichsten Vampire da draußen.«
Ich versuchte, das ermutigend zu finden. Selbst die Jäger des Schwarzen Kreuzes konnten manchmal ohne Vorbehalte mit Vampiren sprechen. »Das Mädchen, das wir heute Nacht gesehen haben, kann auf keinen Fall Mitglied einer mordenden Gang sein. Lucas, sie war zu Tode verängstigt.«
Lucas warf mir erneut einen Blick zu, und in seinen dunkelgrünen Augen sah ich, dass er auf der Hut war. Wir hatten diese Diskussion schon früher gehabt, aber sie hatte nie zu einem guten Ende geführt. Ruhig sagte er: »Manche Vampire sind wirklich gefährlich, Bianca.«
»Und manche sind es wirklich nicht«, antwortete ich nicht minder ruhig.
»Das weiß ich inzwischen.« Lucas lehnte seinen Kopf nach hinten gegen die Wand, und ich konnte Müdigkeit in seinen Augen aufblitzen sehen. Er war drei Jahre älter als ich, ein Altersunterschied, den ich letztes Jahr kaum wahrgenommen hatte. Doch mittlerweile war es offensichtlich, dass er schon reifer war.
»Es gibt böse Vampire, die man aufhalten muss. Wir halten sie auf. Und so sage ich mir, dass das, was ich hier mit dem Schwarzen Kreuz mache, das Richtige ist. Aber wenn wir uns heute mit diesem Mädchen geirrt hätten - wenn wir uns je auch nur ein einziges Mal geirrt hätten -, dann wüsste ich nicht, wie ich damit klarkommen sollte. Und ich weiß nicht, wie ich die Wahrheit über die Vampire, die wir jagen, herausfinden soll.«
Ich hätte so gerne etwas erwidert, aber ich wusste nicht, was für eine Antwort es auf seine Bedenken geben könnte.
Draußen näherten sich Schritte.
»Ich komm jetzt rein«, rief Dana, ehe sie die Tür aufmachte. Als sie ins Innere des Erste-Hilfe-Raumes spähte, runzelte sie die Stirn. »Mann, ich dachte, ich würde euch hier bei wildem Sex erwischen. Dachte, ich würde für meine gute Idee vorhin wenigstens ein bisschen was zu sehen kriegen.«
Ich lief scharlachrot an. Lucas rollte mit den Augen. »Wir waren gerade mal fünf Minuten alleine, Dana.«
»Du musst lernen, das Eisen zu schmieden, solange es heiß ist. Denn Privatsphäre und dieser Ort hier passen einfach nicht zusammen.« Dana stützte sich mit den Armen gegen den Türrahmen. »Wir müssen wieder los. Kate und Eduardo wollen die Jagd wieder aufnehmen, ehe die Vampirin zu weit davonkommt.«
Die Jagd wieder aufnehmen? O nein .
»Sie haben doch gesagt, wir würden heute nicht mehr auf Patrouille gehen.« Lucas’ Gesicht wurde finster. »Die Ausrüstung ist nicht bereit, die Hälfte von uns ist nicht mal richtig angezogen …«
»Deshalb trainieren wir immer, schnell startbereit zu sein, Kumpel.«
Dana grinste mich an, und die beiden übereinandergeschobenen Vorderzähne ließen sie beinahe süß aussehen. »Bianca kann hier in Sicherheit bleiben und hat es warm und gemütlich. Aber du und ich und alle anderen der Mannschaft müssen aufbrechen.«
»Dana.« Lucas warf ihr seinen herzzerreißendsten, flehentlichsten Blick zu. »Ich habe Bianca schon seit Monaten nicht mehr gesehen. Nun komm schon.«
Dieser Blick hätte ausgereicht, mich sofort zu einer Pfütze zusammenschmelzen zu lassen, doch bei Dana schien Lucas damit keinen Erfolg zu haben. »Du weißt, dass es mir egal wäre, aber Kate und Eduardo wollen davon nichts wissen. Du kannst von Glück sagen, dass sie sie überhaupt mit hierhergenommen haben. Himmel, als du diese Notfall-SMS abgesetzt hast, war Eduardo kurz davor, durchzudrehen.«
Lucas seufzte, als er mich ansah. »Dann ist da wohl nichts zu machen. Aber nur für kurze Zeit, okay? Wir werden so bald wie möglich wieder zurück sein.«
»Wir nehmen, was wir kriegen können. Das reicht.«
»Du musst dich beeilen, Lucas.« Dana schob sich wieder aus der Tür. »In ungefähr zwei Minuten komme ich wieder in diesen Raum, um unsere medizinischen Vorräte zusammenzusuchen.«
»Danke«, sagte Lucas. Ich warf Dana ein rasches Lächeln zu, ehe sie verschwand.
Kaum war die Tür hinter ihr geschlossen, küsste mich Lucas sehr sanft mit geschlossenen Lippen, dann jedoch rauer, als sich unsere Lippen öffneten.
Die Flut an warmen Gefühlen
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