Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts

Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts

Titel: Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gray
Vom Netzwerk:
herumzusitzen und mich zu betrauern.«
    »O Himmel.« Lucas schnitt eine Grimasse, und ich wusste, dass er den Tränen nahe war. Er vergrub sein Gesicht in der Bettdecke, und ich legte ihm meine Hand aufs Haar. »Bianca, bitte. Bitte tu es. Bitte rette dich selbst.« Ich konnte in seinen Augen lesen, dass er sich nicht mehr so sicher war, und wenn ich ihn weiter gedrängt hätte, hätte er es vielleicht zugelassen, dass ich ihn in einen Vampir verwandelte. Aber ich wusste, dass dieses Opfer für ihn größer wäre als zu sterben. Und mir war klar, dass ich ihn nicht darum bitten konnte, nicht, um mich zu retten, und auch sonst aus keinem Grund.
    »Nein«, sagte ich, und ich wusste, er würde verstehen, dass meine Antwort endgültig war. »Versprich es mir, Lucas.«
    »Aber was für ein Leben soll ich denn ohne dich führen? Du warst das einzig Gute, das einzig Gute, was ich je gefunden habe.«
    Da fing ich an zu weinen, und er hielt meine Hand ganz fest. Schließlich lehnte er seinen Kopf an meine Schulter, und es war so tröstlich zu wissen, dass er nah war.
    Nach einer Weile musste ich den Griff um seine Hand lockern. Die Schatten im Raum schienen tiefer zu werden. Lucas wurde immer beunruhigter, aber ich konnte seinen Worten keine Aufmerksamkeit mehr schenken. Und vor allem fand ich keine Kraft mehr zu antworten.
    Er brachte mir Wasser, aber ich schaffte es nicht, viel zu trinken. Dann schlief ich wieder ein, falls es Schlaf war, und erwachte erst nach langer Zeit, wie es schien.
    Lucas stand an der Wand und hatte seine Hände aufgestützt, als brauchte er diesen Halt, um nicht zu Boden zu sinken. In seinen Augen lag ein wilder, fiebriger Ausdruck.
    Als er sah, dass ich wach war, sagte er: »Ich hätte beinahe einen Krankenwagen gerufen. Das würde zwar auch nichts nützen, aber hier herumzustehen … Ich kann, verdammt noch mal, nichts tun.«
    »Bleib einfach ganz nah bei mir«, flüsterte ich. Meine Brust war so schwer. Sprechen war so anstrengend.
    Ein Beben durchlief mich und erschöpfte mich. Mein ganzer Körper war zu schwer und zu fiebernd, um es noch zu ertragen. Ich wollte mich davon lösen. Ich wollte frei sein.
    Etwas in meinem Gesicht musste Lucas verraten haben, wie ich mich fühlte, denn seine Augen weiteten sich. Er kam zu mir und legte mir eine Hand auf die Wange. Eine Sekunde lang rang er um Worte, doch dann hauchte er: »Ich liebe dich.«
    »Liebe.« Mehr konnte ich nicht mehr sagen. Lucas’ Gesicht wurde verschwommen, als das Licht im Raum erlosch. Es wurde so leicht, einfach loszulassen.
    Ich gab der Flut nach, die mich nach unten zog.
    Und dann starb ich.

20
    Nichts war mehr miteinander verbunden – anders lässt es sich nicht beschreiben. Zum Beispiel merkte ich, dass die Schwerkraft noch immer wirkte – ich konnte den Unterschied zwischen Erde und Himmel spüren –, aber sie schien für mich keine Gültigkeit mehr zu besitzen. Ich konnte nach oben und nach unten schweben, und manchmal fühlte es sich an, als täte ich beides gleichzeitig.
    Nach den Tagen, in denen mich mein Körper immer schlimmer gequält hatte, bis es mir am Ende so vorgekommen war, als ob nichts existierte als Schwere und Schmerz, war ich nun federleicht und frei. Und doch war es eine schale Empfindung. Ich fühlte mich ausgehöhlt. Einfach verloren.
    Ich versuchte, meine Augen zu öffnen, stellte jedoch fest, dass ich bereits sehen konnte. Aber was ich erblickte, ergab keinen Sinn. Die ganze Welt war ein verschwommenes, milchig blaues Grau, durch das Schatten waberten, die nie eine erkennbare Gestalt annahmen. Ich versuchte, mich zu bewegen, doch obwohl ich nun gänzlich schwerelos war, schienen mir meine Glieder nicht mehr zu gehorchen.
    Wie lange geht das schon so ?, fragte ich mich. Ich hatte kein Gefühl dafür, wie schnell die Zeit verrann. Ich hätte seit zehn Sekunden oder seit einem ganzen Jahr in diesem Zustand sein können, und ich vermochte mich nicht mehr daran zu erinnern, wie man den Unterschied feststellte.
    Du Dummkopf, indem du deine Atemzüge zählst. Oder deinen Herzschlag. Eines von beiden wird es dir verraten.
    Doch da merkte ich, dass ich keinen Herzschlag mehr hatte. Wo mein Puls hätte sein sollen – der gleichmäßige Rhythmus in meinem Innern –, da war nichts mehr.
    Der Schock traf mich wie ein Schlag, und dieser Hieb war irgendwie noch schlimmer, da ich keinen Körper hatte, den er treffen konnte. Mein Entsetzen fuhr durch den Nebel, der mich umgab, und einen Augenblick lang klärte

Weitere Kostenlose Bücher