Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts
erschweren. Wir könnten ihnen tatsächlich entkommen.
Die Tür war nicht verschlossen. Ich rutschte auf den Fahrersitz, während Lucas auf der Beifahrerseite hineinsprang. Er atmete schwer und sagte: »Sag mir bitte, dass sie den Schlüssel steckengelassen haben.«
»Haben sie nicht«, sagte ich, während ich mich an den Kabeln unter dem Armaturenbrett zu schaffen machte. »Ist doch gut, dass ich auch einiges in der Ausbildung gelernt habe.«
Das Schwarze Kreuz brachte jedem bei, wie man ein altmodisches Auto kurzschloss. Sie hatten gesagt, man wisse nie, wann man mal eilig verschwinden müsse. Nun ja, in diesem Punkt hatten sie wohl recht gehabt.
Die Kabel sprühten Funken, und der Motor sprang an. Ich setzte den Wagen in Bewegung und trat aufs Gas. Mit quietschenden Reifen schossen wir vom Parkplatz, hinaus in Sicherheit und in die Freiheit.
Dem Schwarzen Kreuz sei gedankt, dachte ich. Und danke an den Geist. Mein Leben kann nicht mehr seltsamer werden.
Als ich anfing zu lachen, starrte mich Lucas besorgt an. Vermutlich klang ich ein wenig hysterisch. »Bianca, ganz ruhig, okay? Wir haben es geschafft. Du darfst jetzt nicht durchdrehen.«
Ich konzentrierte mich auf die Straße und murmelte vor mich hin:
Alles Gute zum Geburtstag, Bianca.
18
»Wir sollten das Auto irgendwo loswerden«, sagte ich.
»Fahr langsamer, okay?« Lucas stützte seine Hände aufs Armaturenbrett, als fürchtete er, ich könnte uns jeden Augenblick in den Graben steuern. Wahrscheinlich lag er da gar nicht so falsch. Ich hatte zwar eine Topnote in den Fahrstunden der Evernight-Akademie gehabt, aber da ich nicht wusste, wohin wir unterwegs waren, und außerdem vor Adrenalin zitterte, hatte ich den Wagen nicht richtig unter Kontrolle.
»Ich glaube kaum, dass die Vampire diese Kiste aufspüren können. Wir werden sie hinterm Haus parken, wo man sie von der Straße aus nicht sehen kann. Jetzt müssen wir erst mal so schnell wie möglich nach Hause kommen.«
»Das ist nicht das Auto der Vampire! Du weißt, dass sie es gestohlen haben. Und das bedeutet: Wenn die Polizei es bei uns findet, wird sie davon ausgehen, dass wir es geklaut haben.«
»Wir werden schon nicht erwischt werden, wenn du nur mal vom Gaspedal steigen und nicht fahren würdest, als wärst du verrückt geworden.« Lucas legte mir eine Hand auf die Schulter. »Tief einatmen. Komm schon. Oh, he, hier musst du nach links abbiegen.«
Ich bog nach links ein und stellte fest, dass ich diese Straße von den Busfahrten her kannte; wir näherten uns Vics Gegend und damit unserem zwischenzeitlichen Zuhause. Das half mir, mich ein bisschen zu beruhigen. Irgendwann würden wir das Auto loswerden müssen, aber im Augenblick war alles in Ordnung.
Wir fuhren bis zum Ende von Vics Auffahrt und quer über den makellosen Rasen. Ich hoffte, dass die Reifen sich nicht zu tief in die Erde graben würden. Als das Auto mehr oder weniger hinter dem Haus verborgen war, hielten wir an.
Irgendwie fühlte es sich seltsam an, in den dunklen, stillen Weinkeller zurückzukehren. Dieser war unverändert, aber ich fühlte, dass ich mich geändert hatte. Ich streifte meine Sandalen ab und löste mit zitternden Händen meinen Pferdeschwanz.
Lucas stützte sich mit den Armen gegen die Wand und senkte seinen Kopf, als fehlte ihm die Kraft für jeden weiteren Schritt. Seine Handgelenke waren noch immer von den Fesseln gerötet, mit denen sie zusammengebunden worden waren. Der Anblick seiner breiten Schultern jagte mir einen wohligen Schauer über den Rücken.
Ich sah auf meine eigenen Handgelenke und auf das wunderschöne Armband, das Lucas mir – wie lange war das eigentlich her? – überreicht hatte. Ein Geschenk zu meinem Geburtstag – eine wunderschöne Erinnerung an einen Tag, der schon eine Ewigkeit und nicht erst einige Stunden her zu sein schien.
»Charity wird nicht aufhören, nach dir zu suchen«, sagte Lucas. »Sie ist besessen von dir. Und sie ist der festen Überzeugung, dass du die Mauer zwischen ihr und Balthazar bist.«
»Das ist mir egal«, flüsterte ich.
»Bianca, wir können nicht in Philadelphia bleiben. Wir müssen weiter weg. Ich weiß nicht, wohin, aber …«
»Heute Nacht ist das egal«, wiederholte ich.
Lucas drehte sich herum, um weiter mit mir zu diskutieren, aber dann trafen sich unsere Blicke, und er schwieg stattdessen. Ich legte ihm eine Hand auf die Brust, damit ich spüren konnte, wie sie sich beim Atmen hob und senkte, und damit ich Lucas’
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