Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte
antwortete Lucas, ohne auch nur eine Sekunde lang die Augen von mir abzuwenden. »Und jetzt verschwinde!«
Stattdessen kam Skye ein paar Schritte näher und sprach weiter, dieses Mal jedoch an mich gerichtet. »Bianca. Komm in mich hinein. So, wie es die Geister beim Ball gemacht haben.«
Sie will, dass ich Besitz von ihr ergreife? Kann das klappen?
»Was machst du denn hier?« Meine Mutter versuchte, Skye wegzustoßen. »Das ist zu gefährlich.«
»Ich weiß, wie es ist, wenn man jemanden verloren hat«, antwortete Skye. »Wenn irgendjemand so etwas für meinen Bruder tun könnte, dann würde ich wollen, dass er es versucht. Also werde ich es ebenfalls probieren. Bianca, es ist in Ordnung. Komm schon. Tu es!«
Ich ließ mein nebelartiges Ich gleiten, sodass die wirbelnde Energie mich auf Skye zutrieb. Alles um mich herum verschwand. Und dann plötzlich spürte ich harten Stein in meinem Rücken und Schmerzen. Ich versuchte zu atmen, doch die Luft war mit einem Schlag aus meinem Körper gewichen.
Atem. Schmerz. Ein Herzschlag. Ich öffnete meine Augen – ihre Augen – und sah meine Eltern und Lucas über mir knien.
»Bianca?«, fragte Lucas zögernd.
»Ich bin es«, antwortete ich. » Wir sind es.«
Denn Skye war noch immer da, und zwar ganz und gar. Es war nicht so wie sonst, von einem Menschen Besitz zu ergreifen. Skye hatte mich willkommen geheißen, und deswegen existierten ihr Geist und meiner Seite an Seite. Auch wenn sie Angst hatte und ihr Herzschlag so flatternd war wie der eines kleinen Vogels, zog sie sich nicht zurück.
Danke , sagte ich in Gedanken zu ihr.
Sie erwiderte auf die gleiche Weise: Gern geschehen. Aber sollten wir nicht lieber mal ans Abhauen denken?
»Guter Plan«, antwortete ich. Ihre Stimme klang genauso seltsam wie meine. Lucas und meine Eltern starrten mich an, und ich griff nach Lucas’ Hand. »Los jetzt. Wir müssen Maxie retten, wenn wir können.«
»Wir sollten einfach von hier verschwinden«, sagte Mom, während mir Lucas auf die Beine half. Ich war verblüfft, dass ich ihm nun direkt in die Augen schauen konnte; Skye war größer als ich. »Süße, es tut mir leid um deine Freundin, aber wir müssen zuerst an deine Sicherheit denken.«
»Maxie hat auch nicht an ihre Sicherheit gedacht, als sie hierherkam, um mir zu helfen«, wandte ich ein. »Außerdem versucht Vic, sie zu retten. Willst du Vic ganz allein gegen Mrs. Bethany antreten lassen?«
Lucas stützte mich auf dem Weg zur Tür. »Natürlich nicht. Also los.«
Mom und Dad tauschten einen kurzen Blick, doch dann kamen sie uns hinterher. Nun, da ich in Skyes Körper eingeschlossen war, als wäre sie eine warme, lebendige Rüstung, hatte der Fallenraum keine Macht mehr über mich. Ihn zu verlassen war nicht schwieriger, als hinterher die Treppen zu nehmen, auch wenn ich mich etwas unbeholfen dabei anstellte. Ich konnte mich noch nicht richtig in Skyes Körper bewegen, und wir beide waren ziemlich zittrig nach alldem, was uns gerade widerfahren war.
Als wir die ersten Stufen genommen hatten, fragte ich: »War es Maxie, die euch gesagt hat, wo ich bin?«
»Ja«, bestätigte Lucas. Er legte mir eine Hand um die Taille, damit ich besser die Balance halten konnte. Seine Berührung war übertrieben vorsichtig, und ich vermutete, dass er Skye nicht verunsichern wollte. »Uns ist gleich morgens aufgefallen, dass du fehlst, denn wir konnten uns nicht vorstellen, dass dich irgendetwas davon abhalten würde, mit uns über die Pläne für heute Nacht zu sprechen …«
»Ich habe den ganzen Tag in dieser Falle festgesessen?« Es war mir gleichzeitig wie eine Ewigkeit und wie der Bruchteil einer Sekunde vorgekommen.
Lucas nickte. »Anscheinend. Wir haben die ganze Schule von oben bis unten nach dir abgesucht. Mrs. Bethany muss gemerkt haben, dass wir ihr auf der Spur sind, nachdem wir ihre Fallen entfernt haben. Also hat sie nicht mehr länger auf den richtigen Zeitpunkt gewartet, sondern ist zum Angriff übergegangen.«
Wenn alles vorbei ist , dachte Skye, könnte mir dann einer von euch erklären, was hier vor sich geht?
Aber sicher , antwortete ich ihr. Sobald ich es selber verstanden habe . »Was ist mit den Fallen? Mrs. Bethany wird auf der Suche nach ihnen sein.«
»Hoffentlich fehlt ihr dazu die Zeit«, sagte Mom, während wir die Treppe hinabstiegen. Die gesamte Schülerschaft schien mittlerweile aufgewacht zu sein und mitbekommen zu haben, dass irgendetwas Gefährliches im Gange war. Auf jeder Etage waren
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