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Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte

Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte

Titel: Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gray
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Geistern stehen, nur für den Fall, dass eines dieser Geistwesen den gleichen Zweck erfüllen könnte. Wann immer Sie von dem Pfad abgewichen sind, den Ihre Eltern für Sie ausgewählt hatten, habe ich Sie wieder auf diesen Weg zurückgeführt. Diesen Sommer noch habe ich Ihnen gesagt, dass die Liebe es nicht wert ist, ihretwegen seine Chancen wegzuwerfen. Aber Sie wollten nicht auf mich hören. Sie sind offenen Auges in Ihr Schicksal gerannt. Und nun steht es mir frei, so zu handeln, wie ich es für richtig halte.«
    »Sie wollen keine Vampirin mehr sein«, sagte ich, »doch wenn Sie mich dafür benutzen … dann werden Sie schlimmer als jeder Vampir sein.«
    »Aber ich werde leben.« Mrs. Bethany war unbeirrbar. »Ein alter Verrat wird endlich wiedergutgemacht. Ich werde so sterben, wie es mir immer vorherbestimmt gewesen ist: als menschliche Frau. Und Sie werden nicht weniger tot sein, als Sie es jetzt schon sind.«
    Ein Lichtwirbel erfasste mich, und die Welt um mich herum nahm Gestalt an. Zuerst glaubte ich, ich sei frei, und machte mich darauf gefasst, zu verschwinden, davonzulaufen oder welche Möglichkeit auch immer sich mir bot. Aber dann erkannte ich, wo ich war.
    Mrs. Bethany stand vor mir, die Falle in der Hand, inmitten eines Zimmers, das in allen nur erdenklichen Farben schimmerte – der Boden, die Decke, die Wände. Ich begriff, dass es genau die gleichen Ausmaße hatte wie der Aktenraum. Doch an die Stelle des nackten Gesteins und Putzes war nun ein tiefes, halb durchsichtiges Schimmern getreten. Perlmutt, begriff ich. Da war das Kupferdach des Südturmes – das seltsame Gefühl, das ich häufig vom leeren Raum über der Wohnung meiner Eltern ausgehen gespürt hatte. Mrs. Bethany hatte die Falle in einen anderen Turm gebracht. Und ich wusste nun, wo ich mich befand.
    »Sie haben diesen ganzen Raum in eine Falle verwandelt«, sagte ich. Ich wusste bereits, dass es für mich keine Flucht von hier gab.
    »Meine Theorie besagt Folgendes: Sie können dafür sorgen, dass viele von uns das Leben zurückbekommen«, erwiderte Mrs. Bethany. »Sie werden annähernd ein Dutzend Vampire wieder lebendig machen, Miss Olivier. Vielleicht ist Ihnen das ein kleiner Trost.«
    Ich wich vor ihr zurück. Der Perlmuttboden fühlte sich unangenehm glatt unter meinen Füßen an – doch nein, das war er gar nicht. Ich konnte weder fest noch gänzlich körperlos werden. Ich konnte nicht schweben, nicht rennen. Alles befand sich in einem Zwischenstadium und nahm mir die Fähigkeiten, die ich in dem einen oder dem anderen Zustand zur Verfügung hatte. Auch wenn ich in dieser Falle ein Gespür für Raum hatte, war es doch noch immer eine Falle, die mir meinen Sinn für die Realität und mein wahres Selbst raubte. Es verlängerte alles nur. Ein langsamer Tod. Kein Wunder, dass ich die Geister schreien gehört hatte …
    Mit sanfterer Stimme sagte Mrs. Bethany: »Sie sollten es sich wie eine Organspende vorstellen.«
    Ich habe die Geister schreien hören, selbst als sie in den Fallen festsaßen …
    Mit allem, was mir zur Verfügung stand, mit aller mir verbliebenen Kraft schrie ich, laut und im Innern meiner Seele: »Helft mir!« Mit dem Schrei schickte ich ein Bild dieses Ortes aus, von Mrs. Bethany, die vor mir stand, und von allem, was ich dachte, fühlte und wusste. Die Anstrengung allein schien mich noch weiter schrumpfen zu lassen – als hätte ich einen Teil meines Selbst mit diesem Hilferuf ausgesendet.
    »Der Raum ist schalldicht«, sagte Mrs. Bethany. »Niemand kann Sie hören.«
    Vielleicht nicht mit den Ohren. Aber wenn Maxie oder Christopher mein Flehen wahrnehmen würden oder Lucas es in seinen Träumen hören könnte …
    Ein Rütteln an der Tür bestätigte mich in meiner Hoffnung, doch Mrs. Bethany schien nicht überrascht. Sie hielt einfach die Falle in die Höhe und öffnete den Deckel, dann stellte sie sie auf dem Boden ab. Die gräulich verschwommene Leere breitete sich wieder vor mir aus, und ich versuchte verzweifelt, mich dagegen zu wehren, dass ich wieder hineingesaugt wurde. Ich schlug wild um mich, aber jeder Widerstand war zwecklos, und ich hörte mit einem Mal ein Stimmengewirr, das allerdings kaum wie das erhoffte Rettungskomitee klang.
    Die Falle wurde zugeklappt. Für einige Sekunden war mir fast schwindlig vor Erleichterung, und ich versuchte, mir einen Reim auf das zu machen, was ich rings um mich herum sah. Wir waren im Perlmuttraum geblieben, doch die Tür war bereits wieder geschlossen

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