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Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte

Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte

Titel: Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gray
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für ihn aufgetrieben haben.«
    Vic schob seine Hände in die Hosentaschen, und obwohl er eigentlich wissen musste, dass Balthazar die Wahrheit gesagt hatte, brachte er es doch nicht über sich, näher zu kommen.
    Die ganze Geschichte mochte für mich schon schrecklich sein, aber ich ahnte, dass sie für Vic noch hundert Mal schlimmer war. Er war der einzige Mensch im Raum, und auch wenn er in einem Spukhaus aufgewachsen war und die Evernight-Akademie besucht hatte, hatte er bislang eigentlich nur positive Erfahrungen mit der übernatürlichen Welt gemacht – jedenfalls bis zum heutigen Tage, an dem einer seiner besten Freunde versucht hatte, ihn umzubringen.
    Balthazar holte einen Stift und ein Stück Papier aus seiner Tasche und begann, etwas aufzuschreiben. »Vic, wenn du dich noch ein bisschen länger wach halten kannst, dann solltest du zu dieser Adresse fahren«, erklärte er. »Es ist ein Fleischer in der Stadt, der innerhalb der nächsten Stunde aufmacht. Die Leute im Laden verdienen sich etwas nebenher, indem sie unter der Hand Blut verkaufen. Du kreuzt da mit Bargeld auf, und sie werden dir keine Fragen stellen, wofür du das Blut brauchst.«
    »Schätze mal, ich könnte jetzt sowieso nicht schlafen«, sagte Vic. »Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, ob ich überhaupt je wieder schlafen kann.« Auch wenn er seine Bemerkung als Scherz hatte verkaufen wollen, versagte ihm am Ende die Stimme.
    Ich ging zu ihm und umarmte ihn dort in der Türöffnung ganz fest.
    »Danke«, flüsterte ich. »Du hast so viel für uns getan und wir kaum etwas für dich.«
    »Sag das nicht.« Vics Hand tätschelte meinen Rücken. »Ihr seid meine Freunde. Das ist genug.«
    Wie sollten wir nur anfangen, Vic alles zurückzuzahlen, was wir ihm schuldeten? Nicht nur Geld – auch wenn wir uns das ebenfalls von ihm geliehen hatten –, sondern seine Loyalität und seinen Mut! Ich weiß nicht, ob ich es ihm hätte gleichtun können. Wir anderen hatten besondere Fähigkeiten, aber Vic hatte sich als vielleicht der Stärkste von uns erwiesen.
    Als wir uns wieder voneinander lösten, warf mir Vic ein schiefes Lächeln zu. »Alle meine besten Freunde sind lebende Tote. Irgendwann muss ich herausfinden, wie es dazu kommen konnte.« Trotz allem musste ich kichern.
    »Komm, Vic«, sagte Ranulf und klopfte ihm auf die Schulter. »Ich würde mir auch gerne ein paar Liter Blut besorgen. Und vielleicht können wir nachher noch versuchen, den größten Schaden an eurem Rasen vor dem Haus zu beseitigen.«
    Vic schüttelte den Kopf, während sie durch die Tür nach draußen gingen. »Wohl kaum. Es sei denn, du hast damals, in deinen goldenen Wikingerjahren, deine Zeit mit Landschaftspflege verbracht.«
    Sie schlossen die Tür hinter sich, sodass Balthazar und ich allein mit Lucas zurückblieben. Wir wussten beide nicht so richtig, was wir sagen sollten; die Stille zwischen uns war schrecklich. »Das Blut … Wenn er es getrunken hat, ist mit Lucas alles in Ordnung, nicht wahr?«, fragte ich.
    »So funktioniert Vampirsein nicht. Das solltest du wissen.«
    »Kannst du bitte aufhören, so herablassend zu sein?«
    »Na, das musst du ja gerade sagen.«
    Die Situation schien nur noch schlimmer zu werden. Balthazar und ich brauchten ganz entschieden eine Weile Abstand voneinander. Ich öffnete den Verschluss von meinem Armband, und wieder löste ich damit auch meine Anbindung an die körperliche Welt. »Pass auf Lucas auf«, sagte ich und begann zu verblassen.
    »Er wird schon nirgendwo hingehen.« Balthazar setzte sich und nahm einen tiefen Schluck Wein.
    Der Keller wurde vor meinen Augen schummriger, bis er schließlich in einem blaugrauen Nebel verschwand. Als sich die Schwaden um mich herum schlossen, konzentrierte ich meine Erinnerung auf Maxies Gesicht und auf den ersten Ort, an dem wir nach meinem Tod miteinander gesprochen hatten, nämlich auf den Dachboden von Vics Haus. Kaum dass ich mir alles vor meinem inneren Auge vorstellte – den alten Perserteppich, die Schneiderpuppe, den herumstehenden Krimskrams –, da nahm der Raum auch schon Gestalt an. Ebenso wie Maxie. Sie wartete dort in ihrem langen, bauschigen Nachthemd, in dem sie 1920 gestorben war, während ich ihr in meinem weißen Unterhemd und der wolkenbedruckten Pyjamahose gegenübertrat, die ich bei meinem eigenen Ableben angehabt hatte.
    »Das tut mir leid mit deinem Freund«, sagte sie, und so ziemlich zum ersten Mal, seitdem wir angefangen hatten, miteinander zu sprechen, klang

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