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Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte

Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte

Titel: Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte
Autoren: Claudia Gray
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beinahe ausgetrunken und hob seine Flasche ein Stück höher, um die letzten Tropfen in den Mund laufen zu lassen; Balthazars Lippen waren dunkelrot. Blut zu trinken war immer so köstlich gewesen. Ich stellte fest, dass ich es wirklich vermisste, vielleicht mehr als alles andere, das mit dem Lebendigsein einherging.
    Dann waren die Jungs so weit. Ich kniete mich neben Lucas und legte die Blutflaschen griffbereit. Langsam schloss ich meine Hand um das herausragende Ende des Pflocks. Splitter bohrten sich in meine Handfläche, und ich malte mir den Schmerz aus, den Lucas empfunden haben musste, in den wenigen Sekunden, bevor er das Bewusstsein verlor.
    »Ich zähle bis drei«, sagte ich. »Eins, zwei …«
    Ich zog den Pflock heraus. Es gab ein schmatzendes, ekelerregendes Geräusch. Lucas krümmte sich auf dem Boden, die Augen weit aufgerissen. Er atmete ein und schnupperte wachsam. Ich wusste, dass er den Blutgeruch gewittert hatte.
    »Trink«, flüsterte ich. »Trink.«
    Lucas’ Hand schoss vor und grabschte nach einer der Flaschen. Sofort begann er damit, das Blut in kräftigen Schlucken hinunterzustürzen. Innerhalb von Sekunden hatte er die erste Flasche geleert und packte gierig eine zweite. Diese trank er sogar noch schneller aus. Ich sah ihm wie gebannt zu.
    Als auch diese leer war, schaute sich Lucas mit wildem Blick um, und Ranulf warf ihm die nächste Flasche aus der Tüte zu. Obwohl ich diese nicht warm gemacht hatte, kippte Lucas ihren Inhalt ebenso schnell hinunter. Dann ließ er sie auf den Boden fallen, ohne nach weiterem Nachschub Ausschau zu halten, aber er leckte sich mit der Zunge die Mundwinkel sauber und fing jeden verirrten Tropfen auf. Dann hob er seine blutbesudelten Finger an den Mund, um auch noch die letzten Reste abzulecken.
    »Geht es dir jetzt besser?«, fragte ich.
    »Bianca.« Lucas drehte sich zu mir um, und sein Körper war unvermindert angespannt, aber der Ausdruck auf seinem Gesicht ähnelte nicht mehr dem eines Tieres. Er sah wieder wie er selbst aus. »Das war keine Halluzination. Du bist tatsächlich hier.«
    »Ich bin tatsächlich hier. Wie geht es dir?«
    Anstatt zu antworten zog Lucas mich unsanft in seine Arme. Er drückte mich viel zu fest, aber es war eine menschliche Reaktion, und dafür war ich dankbar. Seine Hände durchkämmten meine Haare, die ihm mehr oder weniger real vorzukommen schienen. In diesem Augenblick fühlte ich mich sehr existent.
    Noch einmal fragte ich: »Wie geht es dir?«
    »Besser.« Er sprach stockend. »Vorher konnte ich an nichts anderes mehr denken als … Nein, ich konnte überhaupt nicht mehr denken. Ich war einfach nur dieses … hungrige Ding.«
    »Jetzt bist du wieder in Ordnung.«
    »Solange du bei mir bist.« Seine Stimme klang angestrengt, und ich wusste, dass er noch immer besorgt war. Der Blutdurst war nicht sein einziges Problem. Er drehte sich von mir weg und umklammerte meine Hand, dann sah er zu Balthazar und Ranulf empor. »Dann habe ich von euch beiden auch nicht nur geträumt.«
    »Willkommen im Tod«, sagte Ranulf gut gelaunt. »Es ist gar nicht mal so schlecht, wenn man sich erst mal darin eingerichtet hat.«
    »Danke, Kumpel.« Lucas nickte Balthazar zu; offenkundig erinnerte er sich an die Unterhaltung, die sie geführt hatten. Aber dann erstarrte er, und sein Gesicht verzog sich, als ob ihm übel würde. Ich fragte mich, ob er vielleicht das Blut zu schnell getrunken hatte, bis er flüsterte: »Mom. Vic. Ich habe mich auf sie … Ich wollte …«
    »Es geht allen gut. Du hast niemandem etwas getan.« Ich schloss meine Finger um seine Hand.
    »Aber ich hätte sie töten können. Das wollte ich.« Da war etwas in Lucas’ Augen, und ich fragte mich, ob er vielleicht anstatt wollte in Wahrheit beinahe will gesagt hätte. »Mom wird nie wieder mit mir sprechen.«
    Balthazar verschränkte seine Arme. »Willst du denn je wieder mit ihr sprechen, nachdem sie dich so behandelt hat?«
    »So funktioniert das leider nicht«, sagte ich. So bitter, wie die Trennung zwischen meinen Eltern und mir auch gewesen sein mochte – ich sehnte mich doch jeden einzelnen Tag danach, sie wiederzusehen. Als sich Lucas’ und meine Blicke kreuzten, konnte ich sehen, dass es ihm ganz genauso ging. Er konnte Kates Abscheu und das Misstrauen in seine neue Natur nur allzu gut nachvollziehen, denn er teilte ihre Gefühle.
    Ranulf trat einen Schritt auf ihn zu, hilfreich wie immer. »Vic hegt keinen Groll gegen dich. Er steht draußen und trinkt seinen
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