Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Evernight Bd.1 Evernight

Evernight Bd.1 Evernight

Titel: Evernight Bd.1 Evernight Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gray
Vom Netzwerk:
voll Freunde, die du dort gewonnen hast, kaum für immer ausreichen wird.«
    Sie hatte recht, und ich wusste es.
    Dad stellte sein Glas ab. »Du musst lernen, mit veränderten Lebensumständen klarzukommen, und du musst unabhängiger werden. Das sind die wichtigsten Fertigkeiten, die deine Mutter und ich dir vermitteln können. Du kannst nicht immer unser kleines Mädchen bleiben, Bianca, egal wie gerne wir das auch wollen. Und dies hier ist die beste Möglichkeit für uns, dich auf dem Weg zu der Person, die du mal werden wirst, zu begleiten.«
    »Hört auf, so zu tun, als wenn es nur ums Erwachsenwerden geht«, sagte ich. »Das stimmt nicht, und das wisst ihr selbst. Es geht darum, was ihr für mich wollt, und ihr seid entschlossen, euren Willen durchzusetzen, ob es mir nun gefällt oder nicht.«
    Ich stand auf und verließ den Tisch. Anstatt wieder in mein Zimmer zu gehen und mein Sweatshirt zu holen, schnappte ich mir Mums Strickjacke von der Garderobe und zog sie über. Selbst so früh im Herbst war es nach Anbruch der Dunkelheit kühl auf dem Schulgelände.
    Mum und Dad fragten nicht, wohin ich wollte. Das war eine alte Regel bei uns: Jeder, der kurz davor war, richtig wütend zu werden, musste einen kurzen Spaziergang machen, um die Diskussion einen Moment lang zu unterbrechen und dann zurückzukommen und zu sagen, was man wirklich auf dem Herzen hatte. Es spielte keine Rolle, wie wütend wir waren, diese Spaziergänge halfen immer.
    Tatsächlich war es so, dass ich diese Regel aufgestellt hatte, als ich neun Jahre alt war. Ich finde, das klang nicht so, als ob mangelnde Reife wirklich mein Problem wäre.
    Dass ich mich so verloren auf der Welt fühlte, dass ich ganz sicher und vollkommen überzeugt davon war, nirgends einen wirklichen Platz zu haben, das hatte nichts damit zu tun, dass ich ein Teenager war. Es war ein Teil von mir, und das war noch nie anders gewesen. Und vielleicht würde es auch immer so bleiben.
    Während ich über das Schulgelände schlenderte, ließ ich meine Blicke schweifen und fragte mich, ob ich Lucas im Wald wiedersehen würde. Es war eine blöde Idee, denn warum sollte er wohl seine ganze Zeit draußen verbringen? Aber ich fühlte mich so einsam, dass ich einfach nachsehen musste. Er war nicht da. Hinter mir ragte die Evernight-Akademie auf und sah eher wie eine Burg aus, nicht wie ein Internat. Man konnte sich Prinzessinnen vorstellen, die in schmalen Zimmern gefangen gehalten wurden, Prinzen, die in den Schatten gegen Drachen kämpften, und böse Hexen, die die Tore mit Zaubern belegt hatten. Noch nie waren mir Märchen so ungelegen gekommen.
    Der Wind änderte die Richtung und trug jetzt Geräusche herüber - Gelächter aus dem Pavillon im Westen. Zweifellos waren das die »Picknickerinnen«. Ich schlang die Strickjacke enger um mich herum und machte mich auf den Weg in den Wald, jedoch nicht wieder in östliche Richtung zur Straße wie heute Morgen, sondern zu dem kleinen See hin, der im Norden lag.
    Es war zu spät und zu dunkel, um viel sehen zu können, aber ich mochte es, wie der Wind durch die Bäume wehte, den kühlen Geruch von Fichten und den Schrei einer Eule ganz in der Nähe. Ich atmete bewusst tief ein und aus und verscheuchte so die Gedanken an die Mädchen, an Evernight oder sonst irgendetwas. Ich ließ mich einfach vom Moment treiben.
    Dann erschreckten mich Schritte ganz in der Nähe - Lucas , dachte ich -, aber es war Dad, der, die Hände tief in den Taschen vergraben, auf dem gleichen Weg wie ich entlangschlenderte. Natürlich hatte er mich gefunden. »Diese Eule ist ganz nahe. Man sollte meinen, dass wir sie erschreckt haben.«
    »Wahrscheinlich riecht sie Nahrung. Sie fliegt nicht davon, solange sie auf eine Mahlzeit hofft.«
    Wie um mir recht zu geben, erschütterte ein heftiges, rasches Flügelschlagen die Zweige über unseren Köpfen, und dann schoss der dunkle Schatten einer Eule zu Boden. Ein entsetztes Quieken verriet, dass eine Maus oder ein anderes Kleintier gerade als Abendessen dienen musste. Dann drehte die Eule so schnell ab, dass wir ihren Flug nicht mehr verfolgen konnten, aber Dad und ich starrten ihr hinterher. Ich wusste, dass ich die Jagdfähigkeiten der Eule bewundern sollte, aber unwillkürlich bemitleidete ich die Maus.
    Dad sagte: »Es tut mir leid, wenn ich vorhin etwas barsch gewesen bin. Du bist eine reife junge Frau, und ich hätte nichts anderes andeuten sollen.«
    »Das ist schon in Ordnung. Ich habe mich wohl auch ein bisschen

Weitere Kostenlose Bücher