Evernight Bd.1 Evernight
ich könnte es nicht aushalten, zum Vampir zu werden. Niemals.«
Die unverblümte Ablehnung der Vorstellung verletzte mich; ich hatte bereits angefangen, davon zu träumen, wie wir als Vampire gemeinsam durch die Jahrhunderte gehen würden, für immer jung und schön und Hals über Kopf ineinander verliebt wie meine Mutter und mein Vater. Lucas war offenbar noch nicht so weit. Es war enttäuschend, aber ich konzentrierte mich wieder auf den Test. Ich trug graue, fingerlose Handschuhe, sodass ich den Deckel der Thermosflasche mühelos abschrauben konnte. »Wir müssen herausfinden, wie du auf Blut reagierst. Du weißt, dass ich recht habe. Nimm einfach einen Schluck, dann haben wir es hinter uns.«
»Es stammt aber nicht von einem Menschen, oder?«
»Nein! Es ist Kuhblut. Superfrisch.«
Lucas sah aus, als ob er sich trotz der eisigen Luft lieber nackt ausgezogen hätte. Aber er holte tief Luft, nahm den Becher entgegen und schaffte es, keine allzu schlimme Grimasse zu ziehen, als ich ihm eine kleine Menge Blut einschenkte. Es sollte nur ein Schluck sein; das würde ausreichen, um uns die Wahrheit zu verraten. Mit verzogenem Gesicht führte Lucas den Becher an den Mund, legte langsam den Kopf in den Nacken und trank …
… und dann spuckte er das Blut auf den Boden. »Ihh! Allmächtiger, das ist ja widerlich!«
»Und damit hätten wir die Antwort.« Grimmig schraubte ich den Deckel wieder zu. Ich hatte das Blut erhitzt und es selbst probiert, und so wusste ich, dass es köstlich war. Wenn Lucas es überhaupt nicht mochte, dann hatte er einfach noch kein Verlangen nach Blut. »Du bist nicht, was ich bin. Du bist etwas anderes.«
»Und wie sollen wir rauskriegen, was das ist?« Lucas war damit beschäftigt, sich den Mund mit dem Handrücken abzuputzen, und er versuchte, auch den letzten Blutstropfen zu erwischen. »Wir haben doch gar keine Vergleichsmöglichkeit, und es ist ja auch nicht so, als ob einem von uns beiden so was schon mal untergekommen wäre. Und bevor du fragst: Nein, bei Wikipedia lässt sich auch nichts finden. Ich war so verzweifelt, dass ich es ausprobiert habe. Nichts. Da ist einfach… gar nichts.«
Ich wünschte, Lucas würde aufhören, so zu reden, als wüsste er irgendwas über Vampire; das war irgendwie nervig. Trotzdem hatte er gerade etwas wirklich Großes probiert, also entschied ich mich, ihm Zeit zu lassen. »Ich habe einen Vorschlag. Er wird dir nicht gefallen, aber ich bin mir sicher, wenn du darüber nachdenkst, wirst du verstehen, dass es das Beste ist.«
»Okay, dann erzähl mir von dem Vorschlag, den ich nicht mögen werde.«
»Lass uns meine Eltern fragen.«
»Du hast recht: Das passt mir gar nicht.« Lucas fuhr sich mit den Händen durch die Haare, als wollte er sie sich vor Verzweiflung ausreißen. »Es… ihnen einfach so erzählen? Den Vampiren erzählen, was mit mir nicht stimmt?«
»Hör auf, sie als Vampire zu sehen, und denk einfach daran, dass es meine Eltern sind.« Ich wusste, es würde eine Weile dauern, bis Lucas diese Umstellung gelang, aber ich drängte trotzdem weiter. Mit der Zeit hatte er gelernt, mich als mich selbst zu sehen. Irgendwann sollte er das auch bei Mum und Dad können. »Sie werden dir zuhören, und wenn sie dir helfen können, dann werden sie das tun.«
Lucas schüttelte den Kopf.
»Wenn sie auf jemanden sauer sein werden, dann auf mich. Ich bin diejenige, die dich noch einmal gebissen und so für diesen Schlamassel gesorgt hat.«
»Dann sollten wir dich nicht in Schwierigkeiten bringen.«
»Wenn du Hilfe brauchst, dann ist es das, was wichtig ist. Nichts sonst.« Ich sah ihm direkt ins Gesicht. »Denk darüber nach, Lucas. Wenn sie es erst wissen, können wir ganz offen über alles reden. Antworten auf deine Fragen bekommen und auch auf meine. Wenn es dein Schicksal sein sollte, ein Vampir zu werden…«
Ihn überfiel ein Schauder. »Das wissen wir doch noch gar nicht.«
»Ich sagte ja auch, wenn . Dann musst du doch alles über uns wissen, oder? Du musst auch die Geschichte der Vampire kennen und von den Kräften erfahren, die selbst mir noch unbekannt sind. Wir könnten das alles zusammen lernen.« Vielleicht würde es Lucas ja gefallen, was er da gegebenenfalls zu hören bekam, und er würde sich entscheiden, für immer mein Vampirdasein teilen zu wollen. Darauf konnte ich doch hoffen, oder? »Wenn du erst mal einer von uns bist - in welcher Gestalt auch immer -, dann können sie offener mit dir reden. Sie können dir alles
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