Evernight Bd.1 Evernight
beantworten, was du wissen willst. Und vielleicht bringt das meine Eltern zu der Überzeugung, dass ich nun alt genug bin, um die ganze Wahrheit zu hören. Wir würden nicht mehr verwirrt oder hilflos sein. Wir würden erfahren, was wir erfahren müssen; wir würden alles erfahren. Begreifst du das denn nicht?«
Lucas erstarrte. Zum ersten Mal schien zu ihm durchgedrungen zu sein, wovon ich sprach: dass das, was mit ihm geschehen war - was auch immer es gewesen sein mochte -, ihn in gewisser Weise zu einem Teil von Evernight machen würde. Trotz seiner Ablehnung der Schule spürte ich, dass er mehr über sie herausfinden wollte, und zwar mit einer Heftigkeit, die uns beide überraschte. Vielleicht wollte auch Lucas endlich irgendwo hingehö ren.
Oder vielleicht fing er auch an, darüber nachzuden ken, wie es wäre, ein Vampir zu sein und für immer mit mir zusammenzubleiben.
»Bitte mich nicht, das zu tun«, sagte Lucas leise. »Gib mir nicht diese Chance.«
»Hast du Angst, dass dir das, was du zu hören kriegen wirst, gefallen könnte?«
Lucas antwortete nicht. Schließlich aber nickte er ganz langsam.
»Dann lass uns jetzt mit ihnen sprechen.«
Ich hatte vorausgesagt, dass Mum und Dad wütend auf mich sein würden, aber ich hatte mir nicht mal eine halb so heftige Reaktion ausgemalt. Zuerst hielt Mum mir eine Standpauke, was mir einfiele, alle ihre Warnungen so in den Wind zu schlagen. Dann wollte Dad wissen, was sich Lucas überhaupt dabei gedacht hätte, ein junges Mädchen allein mit auf den Nordturm zu nehmen.
»Ich bin beinahe siebzehn!«, hielt ich lautstark dagegen. »Ihr sagt mir immer wieder, ich solle vernünftige Entscheidungen treffen, und wenn ich das tue, dann schreit ihr mich an!«
»Vernünftige Entscheidungen!« Mein Vater war so aufgebracht, dass ich halb damit rechnete, ihm würden jeden Augenblick seine Reißzähne zu wachsen beginnen. »Du hast all unsere Geheimnisse ausgeplaudert, weil du einen Jungen magst ? Und du willst uns was von reifen Entscheidungen erzählen? Du befindest dich auf sehr dünnem Eis, junge Dame.«
»Adrian, beruhige dich.« Mum legte ihm die Hände auf die Schultern. Ich dachte schon, sie würde für mich Partei ergreifen, aber sie fügte hinzu: »Wenn Bianca die nächsten tausend Jahre damit zubringen will, zu jung auszusehen, um einen Job zu finden, ein Auto zu mieten oder die grundlegenden Dinge zu regeln, die das Leben mit sich bringt, dann können wir sie nicht aufhalten.«
»Das ist doch gar nicht das, was ich möchte!« Ich konnte mir nicht einmal vorstellen, jetzt schon die Ewigkeit einzuläuten. »Ich habe ihn nicht getötet. Ich habe ihn nicht verwandelt. Okay?«
Dad erwiderte: »Aber du warst verdammt nahe dran, und das weißt du auch.«
»Ich weiß das überhaupt nicht! Ihr habt mir nie erklärt, was passieren würde, wenn ich einen Menschen beiße, ihn aber nicht töte! Ihr habt mir nie gesagt, woran sich Menschen am nächsten Tag noch erinnern und woran nicht! Da gibt es eine ganze Menge, was ihr mir nie erklärt habt, und erst jetzt merke ich endlich, in was für einer Unwissenheit ihr mich all die Jahre gehalten habt!«
»Entschuldige, wenn wir auch nicht genau wussten, wie wir damit umgehen sollen. Es gibt, wie auch du weißt, nur eine Hand voll Vampirbabys in jedem Jahrhundert. Ist ja nicht so, als wenn wir einfach mal jemanden hätten um Rat fragen können.«
Mum sah so wütend aus, als würde sie sich am liebsten die Haare ausreißen. »Aber, ja, Bianca, in diesem Punkt stimme ich mit dir überein. Offenbar haben wir’s vermasselt. Wenn nicht, würdest du dich jetzt vernünftig benehmen, anstatt dich weiterhin so aufzuführen!«
Lucas versuchte von seinem Platz auf dem Sofa meiner Eltern aus, wohin sie ihn mit allem Nachdruck verbannt hatten, mich zu verteidigen.
»Es ist vor allem mein Fehler…«
»Du hältst den Mund.« Dads Blick hätte Metall zum Schmelzen bringen können. »Ich habe vor, mich später noch ausgiebig genug mit dir zu unterhalten.«
Gerade, als ich glaubte, es könnte nicht mehr schlimmer werden, sagte Mum: »Wir müssen es Mrs. Bethany melden.«
»Wie bitte?« Ich konnte nicht glauben, was ich da hörte. Lucas riss die Augen auf. »Mum, nein!«
»Deine Mutter hat recht.« Dad marschierte zur Tür. »Du hast einem Menschen das Geheimnis von Evernight verraten. Das werden wir Mrs. Bethany erklären müssen, und das hättest du dir von Anfang an denken können.«
Als die Tür hinter ihm zuschlug, fügte
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