Evernight Bd.1 Evernight
Bücher von Vampiren über Vampire. Ich lehnte meinen Kopf gegen eines der Regale mit den Nachschlagewerken, seufzte frustriert und fragte mich, ob ich nicht eines Tages die Marktlücke schließen sollte. Das half mir zwar bei meiner zukünftigen Karriereplanung, nicht aber bei Lucas’ Situation.
Glücklicherweise fühlte sich Lucas nach einigen Tagen besser. Seine geschärften Sinne ließen langsamer als bei mir nach, aber schließlich waren sie doch wieder ganz normal, sodass sie kein Problem mehr darstellten. Aber da gab es noch andere Veränderungen, die schwerer zu begreifen waren, die mir aber umso vertrauter waren.
»Sieh dir das mal an«, sagte Lucas, als wir am folgenden Wochenende einen Spaziergang am Rand des Schulgeländes machten. Während ich zusah, sprang er hoch, packte den untersten Ast einer Kiefer und baumelte mühelos daran. Dann schob er langsam die Beine nach oben, veränderte den Griff am Ast, während er sich immer weiter und weiter hochzog, um den Ast herumrollte und sich schließlich in einen Handstand streckte, die Beine kerzengerade über seinem Kopf.
»Ich wusste gar nicht, dass du in Wahrheit ein Olympiaturner bist«, witzelte ich, aber ich fühlte mich unbehaglich.
»O verdammt, mein geheimes Leben ist gelüftet.«
»Ich habe schon mal gedacht, ich hätte dich auf einer Cornflakesschachtel erkannt.«
»Ernsthaft: Ich bin fit, aber es gibt verdammt noch mal keinen Grund, warum ich so etwas können sollte. Und die Landung sollte schmerzhaft sein, aber…« Lucas rollte sich wieder zusammen, ließ los und landete sicher auf den Füßen. »… es ist überhaupt kein Problem.«
»Ich kann das auch«, gestand ich, »aber nur, wenn ich gerade gegessen habe. Meine Eltern können so was jederzeit.«
»Dann willst du also sagen, dass das Vampirkräfte sind?« Lucas gefiel dieser Klang gar nicht, das konnte ich sehen. »Dass ich stärker als ein Mensch bin… vielleicht sogar stärker als du… obwohl ich kein Vampir bin?«
»Für mich ergibt das auch keinen Sinn, aber… wer weiß?«
Der Januar ging in den Februar über, und wir entdeckten andere Veränderungen an Lucas. Gemeinsam rannten wir durch die Landschaft, und ich hielt mich nicht zurück. Wir rannten schneller, als es irgendein Mensch könnte, manchmal stundenlang. Es ermüdete uns zwar beide, aber wir schafften es. Nachts schlüpften wir aus dem Gebäude und trafen uns manchmal auf dem Schulgelände, manchmal auf dem Dach. Dann befragte ich Lucas, was er hören konnte. Er konnte das Schreien einer Eule in einer halben Meile Entfernung ausmachen oder das Brechen eines Zweiges. Sein Gehör war nicht ganz so scharf wie meines, und wir beide fühlten nichts, was annähernd so intensiv war wie damals, unmittelbar nachdem ich sein Blut getrunken hatte. Aber dennoch war es übermenschlich.
Wir unternahmen keinen zweiten Ausflug in den Lagerraum an der Spitze des Nordturms. Auch wenn ich genauso gern wie immer mit Lucas zusammen sein wollte und wusste, dass es ihm ebenso ging, waren wir beide vorsichtig. Wir hatten auch so genug damit zu tun, meinen Blutdurst zu kontrollieren. Wenn sich etwas tief im Innern von Lucas verändert hatte, dann wären auch andere Gefahren denkbar, sobald wir anfingen, uns zu küssen, und uns davontragen ließen. Also kann man sich gut vorstellen, wie dringend mir daran gelegen war, endlich Antworten zu bekommen.
Eines Abends entschied ich mich für den ultimativen Test. Als ich mich mit Lucas im Pavillon traf, hatte ich eine Thermosflasche in den Händen.
»Was ist denn das?«, fragte er offenbar arglos.
»Blut.«
»Oh.« Sein Gesichtsausdruck war seltsam. »Wenn du hungrig bist, dann… also, tu dir meinetwegen keinen Zwang an.« Lucas trat von einem Fuß auf den anderen und wich meinem Blick aus. Anscheinend war ihm immer noch nicht wohl bei der Vorstellung, dass ich Blut trank, was nichts Gutes für das Experiment verhieß, das ich geplant hatte.
»Es ist nicht für mich«, setzte ich an. »Es ist für dich.«
Angewidert entgegnete er: »Keine Chance.«
»Lucas, lass uns den Dingen ins Auge sehen. Als ich dich ein zweites Mal gebissen habe, hat sich irgendetwas in dir drin verändert, und zwar vielleicht für immer. Wenn ich dich zum Teil in einen Vampir verwandelt oder zu einem zukünftigen Vampir gemacht habe, dann müssen wir das wissen.«
Er sah blass aus und zog seinen langen Mantel fester um sich. »Denkst du wirklich, dass es das ist, was geschehen ist? Weil… Bianca,
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