Everybodys Darling, Everybodys Depp
beschlossen haben, bei der Wahl zum Elternbeirat Herrn Müller – und nicht ihr – die Stimme zu geben. Mit Entrüstung in der Stimme greift sie frontal an:
»Das hätte ich nie von dir gedacht. Dass du mir so in den Rücken fällst! Das grenzt ja an Verrat. Dass dir Solidarität und Zusammenhalt unter Frauen so gar nichts gilt, hätte ich nicht geglaubt. Schämst du dich denn nicht, deine Geschlechtsgenossinnen so im Stich zu lassen? Ich dachte, ich wäre deine beste Freundin.«
Stammelnd beginnen Sie, sich zu rechtfertigen und Erklärungen abzugeben: Sie hätten das doch gar nicht so gemeint, selbstverständlich würden Sie unter diesem Aspekt Ihre Entscheidung noch einmal überdenken...
Die Strategie
Vehement vorgebrachte moralische Entrüstung, zumal noch in Verbindung mit Selbstgerechtigkeit, ist ein wirksames Mittel, Ihnen ein schlechtes Gewissen zu machen. So machen Sie möglichst von selbst einen Rückzieher. Diese Stiere haben oft ein gutes Gespür, wo die empfindlichen Punkte des Gegenübers sitzen. Und genau dorthinein stoßen sie ihr Horn; häufig reicht ein einziger, gut gezielter Stoß. Der gewünschte Effekt: Sie fühlen sich ihnen moralisch unterlegen, Ihr innerer Kritiker läuft Amok und zerfleischt Sie besser, als jeder Stier es könnte.
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Abwehr
Greifen Sie zur Keule, und schicken Sie als allererstes Ihren inneren Kritiker ins Koma. Machen Sie sich klar, dass es keinen Grund für ein schlechtes Gewissen gibt – der andere will Sie einfach nur manipulieren.
Hören Sie aufmerksam zu, und zeigen Sie Verständnis. Das kennen Sie ja schon: Verständnis dafür, dass man es möglicherweise so sehen kann und Verständnis für die daraus resultierenden negativen Gefühle.
Drücken Sie Ihr Bedauern darüber aus, dass der andere es so sieht.
Erklären Sie ein einziges Mal, warum Sie diesen Standpunkt haben, und dass es nicht Ihre Absicht war, den moralischen Pharisäer zu enttäuschen oder zu kränken.
Bleibt der andere bei seiner Interpretation, so bleiben Sie trotzdem, wenn auch bedauernd, bei Ihrem Standpunkt. Sagen Sie noch einmal abschließend, dass es Ihnen leid täte, wenn der andere sich durch Sie verletzt fühlt.
Gehen Sie nicht noch einmal auf die Unterstellungen und Bewertungen ein.
Der Besserwisser
Stierkalb Sebastian hat seine Hufe frisch poliert und die Hörner nachgespitzt. Er tänzelt ungeduldig vor Ihnen herum, als Sie ihm erklären, dass Sie den übermäßigen Verzehr von Fastfood bei 14-Jährigen nicht gut heißen und auch nicht bereit sind, dafür sein Taschengeld zu erhöhen. Noch etwas ungeschickt und tapsig, aber doch schon recht treffsicher überrennt er Sie mit donnernden Hufen:
»Mama, das ist ja voll uncool. Nur weil es in deiner Jugend noch keine Hamburger gab, soll ich jetzt leiden. Du glaubst, dein |186| selbstgekochtes Essen ist supergesund – dabei trieft es nur so von ekligem Fett. Immer mehr Hamburgerläden bieten cholesterinfreies, fettarmes und zuckerfreies Essen mit frischen Zutaten an, das weiß doch jeder. Also, was ist jetzt? Zehn Euro mehr pro Woche brauche ich schon.«
Sie liegen noch nicht ganz am Boden: »Wie bitte? Das kann ja wohl nicht stimmen. Ich glaube einfach, dass frisches Gemüse gesünder für dich ist als Hamburger.«
Er wendet im vollen Galopp und geht erneut auf Sie los: »Unterstellst du mir jetzt auch noch, dass ich lüge? Du kannst ja selbst im Internet nachlesen: So ungesund ist das überhaupt nicht mehr. Und bitte, wenn du mich bei meinen Freunden lächerlich machen willst, weil ich zu Hause brav von Mamis Breichen essen muss, dann tu’s doch. Du weißt doch gar nicht, wie oft ich dort esse und wofür ich mein Geld ausgebe. Du bist doch nie da!«
Sie müssen leider zugeben, dass Sie beruflich bedingt viel unterwegs sind, sich im Internet nicht so gut auskennen und ihn natürlich nicht bei seinen Freunden lächerlich machen wollen. Sie schaffen es gerade noch, die geforderte Taschengelderhöhung auf fünf Euro zu drücken. Die Summe, die Stierkalb Sebastian sowieso erreichen wollte.
Die Strategie
Der Besserwisser stellt – am liebsten in einem üppigen Redeschwall – jede Ihrer Aussagen in Frage und behauptet, dass alles ganz anders ist. Sie sind im Unrecht, basta. Am liebsten erklärt er damit die Diskussion für beendet und seinen Standpunkt als erwiesen. Wenn Sie so unklug sind, seine Argumente und sein Halbwissen in Zweifel zu ziehen, schwingt er entrüstet die Glaubwürdigkeitskeule: Sie wollen ihn doch wohl nicht auch
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