Evianna Ebel und die Tafeln des Schicksals
knurrend auf die beiden zu.
Evianna sah die Furcht in den Augen der beiden. Trotzdem wichen sie nur wenige Zentimeter zurück. Sie ahnte, dass Mehdi und Reuben nicht gehen würden, solange sie nicht von ihr persönlich hörten, dass alles in Ordnung war. „Okay, Jungs, verschwindet“, sagte sie ruhig. „Hier ist alles unter Kontrolle. Wartet einfach draußen auf mich.“
Das ließen sich Mehdi und Reuben nicht zweimal sagen. Im Rückwärtsgang schoben sie sich schnellstmöglich zur Tür.
Als die Tür zuschlug verstummte das Knurren. Gabriel atmete ein paar Mal tief und rieb sich mit einer Hand über das Gesicht. Das helle Blau war in seine Augen zurückgekehrt, als er Evianna ansah. Er schwieg eine Weile, bevor er ihr höflich Platz anbot, wobei er auf den Stuhl deutete, auf dem sie kurz zuvor schon gesessen hatte.
„Danke, ich stehe lieber“, lehnte Evianna ab.
„Nein, setz’ dich. Ich werde etwas weiter ausholen müssen, damit du verstehst.“ Na gut. Wenn er unbedingt wollte. Evianna setzte sich und beobachtete ihn. Kam jetzt eine Ansprache? Und würde er ihr am Ende vielleicht endlich seine Hilfe anbieten? Gabriel war nicht mehr so ruhig, wie er es vor dem kleinen Zwischenfall gewesen war. Er hatte etwas von seiner Souveränität verloren denn irgendetwas schien ihn nervös zu machen. Er rieb die Handflächen aneinander. Es schien, als könne er seine Hände nicht still halten oder als wüsste er nicht, wie er anfangen sollte. „Seit dem Polsprung ist nichts mehr, wie es war“, sagte er plötzlich leise. Ach, ernsthaft? Das war Evianna bisher kaum aufgefallen . „Erzähl mir was Neues“, erwiderte sie trocken doch es schien, als hätte Gabriel sie nicht gehört. Gabriel fuhr sich mit der Hand durchs Haar und begann im Raum auf und ab zu laufen.„Die Umpolung des Erdmagnetfelds hat die alten Regeln hier auf der äußeren Hülle der Erde außer Kraft gesetzt. Es ist nicht zum ersten Mal passiert doch für all die Wesen, die zu diesem Zeitpunkt die Erde bevölkern, ist es das erste Mal. Deshalb kann niemandvorher sehen, was passieren wird.“
Verständnislos runzelte Evianna die Stirn. „Wovon zum Teufel redest du?“ Gabriel blieb stehen und sah sie kurz an, bevor er weiter auf und ab lief. „Von jeher war meine Rasse dazu ausersehen, die Menschen zu schützen.“ Wie bitte? „Spinnst du? Ihr saugt uns aus und… .“
Mit einer herrischen Handbewegung unterbrach Gabriel sie.„Wir haben die Menschen von jeher beschützt und nur die Schwächsten von ihnengenommen.“ „Oh, das war wirklich sehrnett von euch“, frotzelte Evianna.
Gabriel überging ihren Einwurf.„Die Menschen vermehrten sich sehr viel schneller, als meine eigene Rasse und ihr begannt, uns zu jagen - und das, wie ich eingestehen muss, sehr erfolgreich. Ihr habt eine große Zahl von uns getötet. Ihr habt uns als Feind betrachtet, obwohl die Vampire niemals die Feinde der Menschen waren. Sie waren nichts weiter, als ein natürliches Gleichgewicht, wie es überall in der Natur herrscht. Doch unsere Zahl nahm nicht nur durch euer Dazutun dramatisch ab. Es gab noch einen weitaus gefährlicheren Jäger. Seine Jagdtechnik war brillant, schwer zu durchschauen. Seine Kraft war immens. Die Schnelligkeit und Ausdauer ließ kaum einem von uns eine Chance zu Entkommen. Den Letzten von uns blieb nichts weiter übrig, als sich zu verstecken.“
„Tatsächlich? Ich hoffe, du erwartest kein Mitleid. Denn wenn die Menschen euch nicht getötet hätten, hättet ihr die Menschen platt gemacht. So läuft das in der Natur doch normalerweise zwischen Stärkeren und Schwächeren.“ Evianna hielt das für eine logische Schlussfolgerung.
Gabriel fuhr herum.„Die Menschen auszurotten stand niemals zur Debatte. Wir brauchen sie. Ohne die Menschen könnte kein Vampir überleben. Ohne menschliches Blut würden wir sterben.“
„Du sagst, ihr braucht uns. Warum hilfst du mir dann nicht, die wenigen übrigen Menschenvor unkontrollierten Übergriffen deiner Rasse zu schützen?“ „Es ist unmöglich für mich, dir zu helfen“, polterte Gabriel.
„Aber warum?“ Auch Evianna war laut geworden.
„Weil es keine Vampire sind, die dieMenschheit dezimieren!“
„Ach. Und was ist mit den ausgesaugten Leichen, die wir gefunden haben?“ Gabrielschüttelte den Kopf. „Glaub’ mir. Ich sage die Wahrheit. Doch bin ich durch das Wort meines Großvaters an ein Jahrhunderte altes Versprechen gebunden, das ich auf keinen Fall brechen darf.“
„Aber…
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