Evianna Ebel und die Tafeln des Schicksals
.“
„Nein!“, donnerte Gabriel. So schnell, dass Eviannas Augen ihm nicht folgen konnten, kam er um den Schreibtisch herum und stützte sich auf die Armlehnen des Stuhls, auf dem sie saß. Seine breite Brust hob und senkte sich unter tiefen Atemzügen. „Evianna,such’ nicht unter Meinesgleichen nach den Tätern. Das habe ich schon getan und ich habe nichts gefunden.“
„Aber vielleicht… .“ Ein tiefes Grollen, das von Gabriel kam, ließ Evianna verstummen. Der Punkt, an dem man Gabriel besser nicht mehr widersprach, war offenbar erreicht. Um die angespannte Lage ein wenig aufzulockern, legte sie ihm eine Hand auf die Brust und schob ihn vorsichtig von sich, was nur funktionierte, weil er es zuließ. Ansonsten hätte sie ebenso gut versuchen können ein parkendes Auto zu bewegen.
Gabriel beruhigte sich etwas und lief wieder im Raum auf und ab.
„Also gut. Was für ein Versprechen ist das? Und wem hat dein Großvater es gegeben?“
Gabriel seufzte, was aus seiner Kehle überaus erotisch klang.„Versprich mir zuerst etwas“, sagte er. „Du darfst mit niemandem darüber sprechen.“
„Geht klar“, sagte Evianna.
„Mein Großvater erhielt das Wissen um die Tafeln des Schicksals. Aber bis heute wurde erst eine der Tafeln an ihren Eigentümer übergeben.“
Evianna verstand nicht ein Wort von dem, was Gabriel sagte. Sie ahnte, dass es nicht gesund für sie wäre, ihn weiter zu reizen, doch schien er gerade in Plauderlaune.„Wer sind die Eigentümerdieser Schicksalstafeln?“, fragte sie deshalb und versuchte dabei die Neugier aus ihrer Stimme heraus zu halten.
Gabriel rang mit sich. Das war deutlich zu spüren. Er brauchte einen Moment, um darüber nachzudenken, wie viel er ihr erzählen durfte. Wenn er zu viel seines Wissens preis gab, würde er nicht nur Evianna sondern auch seine eigene Rasse in große Gefahr bringen. Verwundert ertappte er sich dabei, dass ihm der Gedanke, Evianna dieser Gefahr auszusetzen, etwas ausmachte. Energisch schob er ihn beiseite.
„Die rechtmäßigen Eigentümer dieser Tafeln sind sieben Männer, die lange vor dem Polsprung dazu auserkoren wurden, das Kräfteverhältnis zwischen Mensch und Vampir gesund zu erhalten.“
Evianna versuchte zu folgen. „Die Arbeit hat ihnen der Polsprung nun wohl abgenommen.“
„Einerseits schon– da die Zahl der Menschen durch den Polsprung enorm abgenommen hat. Aber da die Vampirbevölkerung den Polsprung nahezu unbeschadet überstanden hat, ist die Zahl von Vampiren und Menschen jetzt ungefähr gleich.“
„Und was genau heißt das? Dass diese Männer jetzt Jagd auf Menschen und Vampire machen?“
Gabrielschüttelte kaum merklich den Kopf. „Nein, sie können es nicht wagen, Vampire offen zu jagen.“
Evianna verstand überhaupt nichts mehr.
„Aber solange sie nicht in den Besitz der Schicksalstafeln gelangen, werden sie sich niemals vondem Fluch, mit dem sie belegt wurden, befreien können.“ „Und diese Schicksalstafeln befinden sich in vampirischemBesitz?“
Gabriel wiegte den Kopf hin und her. „Als unsere Zahl dramatisch gesunken war, wurde mein Großvater zum Oberhaupt der Vampire. Da von diesen sieben Männern eine weit größere Bedrohung ausging, als von euch Menschen, tat er etwas, wofür er die Macht über die Tafeln des Schicksals erhielt.“
„Also gut. Wer sind diese Sieben? Und was haben sie mit den verschwundenen Menschen zu tun?“
„Ich weiß nicht, ob sie tatsächlich für das Verschwinden der Menschen verantwortlich sind. Es ist nicht mehr als eine Vermutung, doch die Hinweise dafür, dass sie in der Nähe sind, häufen sich. Und das ist weder für Menschen noch für Vampire gut.“ Gabriel fixierte einen imaginären Punkt irgendwo in weiter Ferne. Er hatte das Gefühl, schon zu viel gesagt zu haben. Er wandt sich zu ihr um und sah sie lange an bevor er weiter sprach.„Aber du hast Recht. Das spurlose Verschwinden von Menschen wird auf Dauer das Verhältnis zwischen Menschen und Vampiren vergiften. Kein Mensch wird uns mehr freiwillig in seine Nähe lassen und dann werden wir jagen müssen, um zu überleben. Das macht uns angreifbar und zu leichter Beute für sie. Denn nur wenn wir töten, wenn wir außer Kontrolle geraten, können sie auch uns in großer Zahl töten.“
Besser ihr als wir, der Gedanke drängte sich Evianna auf, aber sie sprach ihn nicht aus.
Doch Gabriel schien ihr anzusehen, was sie dachte.„Willst du das?“, fragte er. „Willst du es wirklich soweit kommen lassen, dass Menschen und
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