Evianna Ebel und die Tafeln des Schicksals
fixierten seine malachitgrünen Augen Eviannas Gesicht. Sein Blick war kalt wie Eis und durchbohrte sie schneidend wie ein Messer. Er war dann wohl die Nummer Sieben.
„Evianna Ebel“, herrschte Thot. Die Unterhaltung der anderen verstummte abrupt. „Dein Eindringen in unser Reich zieht ernste Folgen für uns nach sich. Wir können es nicht riskieren, entdeckt zu werden. Daher wirst du verstehen, dass wir dich nicht gehen lassen können.“
„Was?“, kreischte Evianna und fuhr herum. „Wieso das denn?“
Thot blickte aus einem der glaslosen Fenster. Die Morgendämmerung kündigte sich mit einem schmalen roten Streifen am Horizont an.
„Die Zeit reicht nicht für weitere Erklärungen.“ Thot erhob sich und gab den Ghulen, die sich im Hintergrund herumgedrückt hatten, ein Zeichen, woraufhin sich die beiden Kolosse auf Evianna zu bewegten. Der Kreis der Gargoyles öffnete sich und Evianna wurde von vier fleischigen Armen gepackt. Hilfe suchend sah sie Shaytan an doch der wich ihrem Blick aus. Der einzige, dessen Blick noch immer auf ihr ruhte, war der der Nummer Sieben.
„Ich verspreche, ich werdeniemandem etwas von euch erzählen“, rief sie doch im Grunde wusste sie, dass es aussichtslos war. Vermutlich hätte sie selbst nicht anders gehandelt, wenn sie an Thots Stelle gewesen wäre. Die beiden fetten Ghule schleiften Evianna zurück in den Kerker.
„Es ist soweit“, hörte sie Thot hinter sich sagen. Als sie über die Schulter zurück blickte, erhaschte sie einen flüchtigen Blick auf die Gargoyles, die ihrem Anführer die Treppe hinauf folgten. Sie alle stiegen die Stufen hinauf und verschwanden einer nach dem anderen durch eine der Türen - alle bis auf den dunkelhaarigen Prügelknaben.
„Satyr?“, riefPan’C durch die offene Tür von oben herab. „Die Sonne.“ Ohne sich umzudrehen nickte Satyr bedächtig, folgte jedoch den Ghulen in den Kerker.
Unter lautstarkem Protest wurde Evianna in eine der Zellen geschmissen. Die Tür wurde verriegelt und einer der Ghule bezog schnaufend davor Stellung. Evianna sah sich in ihrer Zelle um aber außer einer nackten Holzpritsche gab es keine weiteren Gegenstände in ihrem Gefängnis. Missmutig trat sie an das vergitterte Fenster der Zellentür und sah hindurch. Doch gerade als sie den Ghul, der neben der Tür Wache hielt, wüst beschimpfen wollte, erschien Satyr vor dem Gitter. Sein finsterer Blick verhieß nichts Gutes. Erschrocken wich sie einen Schritt vor ihm zurück. „Hallo“, sagte Evianna, doch er starrte sie einfach nur an. „Bist du gekommen, um mich hier ’raus zu lassen?“
Satyr antwortete nicht. Sehr gesprächig schien dieser Gargoyle nicht zu sein. Unter seinem Blick kam Evianna sich vor wie ein Tier im Zoo. Doch so wie er sie ansah, musterte sie auch ihn und verwundert stellte sie fest, dass sie sich auf seltsame Weise von ihm angezogen fühlte.
Plötzlich wandt er den Blick ab. Er drehte sich um und es schien, als wolle er verschwinden.
„Hey, warte mal“, rief Evianna. Sie umklammerte die Gitterstäbe und spähte durch das Fenster der Zellentür.„Ich hab’ dich befreit. Erinnerst du dich? Warum sagst du diesem Ghul dafür nicht, dass er mich freilassen soll?“
Satyr drehte sich um, so langsam dass Evianna glaubte, er bewege sich in Zeitlupe. „Glaub nicht, dass ich dir dankbar bin“, sagte er mit einer Stimme, die tiefer war als der schwärzeste Abgrund.
Evianna schluckte und hielt vor Schreck die Luft an, als sein Arm plötzlich hervor schoss und ihre rechte Hand an das Gitter presste. Der Ärmel seines Anzugs hatte sich hochgeschoben und Evianna starrte auf sein von den Eisenfesseln aufgescheuertes Handgelenk. Er bemerkte es und zog ihre Hand unsanft durch das Gitter zu sich nach draußen. Der Druck seiner kalten Finger vermittelte den Eindruck, als steckte ihr Arm in einer Presse. Evianna ballte die Hand zur Faust und schrie vor Schmerz laut auf. Mit der freien Hand öffnete Satyr mühelos ihre Finger und betrachtete das eingebrannte Dämonenmal. „Woher hast du das?“, donnerte er so laut, das selbst der Ghul zusammenfuhr. Satyr sah aus, als wolle er gleich jemanden töten. Der Schein der Fackeln, die den Gang beleuchteten, warf tanzende Schatten auf sein Gesicht.
„Das… ist…nur ein…Tattoo“, log Evianna, trotz aller Schmerzen.
Doch plötzlich ließ der Schmerz unvermittelt nach. Ihr Handgelenk war frei und Satyr lag niedergestreckt am Boden.
„Hat er dir weh getan?“, fragte Shaytan außer Atem und sichtlich
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