Evianna Ebel und die Tafeln des Schicksals
vorerst genügen.“
Evianna überlegte. Was konnte sie in der Sache schon groß unternehmen? „Wenn ich kann, helfe ich euch. Und ihr helft mir dabei, die verschwundenen Menschen zu finden. Das klingt fair“, sagte sie.
Shaytan nickte. „Dann haben wir eine Abmachung. Allerdings wird es nötig sein, dass du uns alles verrätst, was du über den Fall weißt.“
Evianna lehnte sich zurück. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und starrte auf die leere Bierflasche vor sich.
Shaytan spürte ihren Widerstand. „Fangen wir doch einfach mit den Orten an, an denen die Menschen zuletzt gesehen wurden.“
Dragor kam mit einem detaillierten Stadtplan um den Tisch herum. Er breitete den Plan vor Evianna aus und reichte ihr einen Stift.
Evianna zog einen Kreis um den Stadtkern. „In diesem Bereich sind alle Opfer zuletzt gesehen worden. Die meisten von ihnen waren auf dem Weg zur Arbeit oder sie müssen sich auf dem Heimweg befunden haben. Die Zeiten des vermutlichen Verschwindens scheinen variabel. Einige der Opfer wohnen im Stadtzentrum, der Rest lebt außerhalb.“ Evianna malte einige Punkte in verschiedene Stadtrand- Bezirke. Das alles war kein Geheimnis, denn es ging bereits durch die Medien. „Alle Opfer sind relativ jung“, fügte Evianna noch hinzu, was auch kein Geheimnis war, denn seit dem Polsprung gab es heute keine Menschen mehr, die älter waren als sechzig Jahre. Kaum ein Mensch über fünfzig Jahre hatte den Wechsel der magnetischen Pole überlebt. Daher galt seitdem jeder Mensch mit vierzig bereits als alt. Und es hatte auch kaum ein Kind unter 15 Jahren den Polsprung überlebt. „Es sind Männer und Frauen, keine Kinder.“
„Und dabei schmecken die doch am besten“, sagte Pan’C und leckte sich über die Lippen. „Jeder Knochen steckt voller Mark.“
„Halt die Klappe, du Bastard, oder ich bringe dich eigenhändig um.“ Evianna funkelte ihn zornig an.
„Ach, ja? Versuchs doch mal.“
„Ruhe jetzt“, fuhr Shaytan dazwischen.
„Wieso denn?“, regte Pan’C sich auf. „Sie frisst doch selbst Kälber und Lämmer. Und bei Menschenstellt sie sich so an? Erklär’ mir da doch bittemal den Unterschied.“ „Sei still, Pan’C“, knurrte Shaytan. Beruhigend legte er Evianna eine Hand auf den Arm.
Satyr, der in einiger Entfernung am Tisch gesessen hatte, sprang auf und begann wieder auf und ab zu laufen.
„Sprich bitte weiter“, sagte Shaytan.
Evianna sammelte sich ein wenig. „Wir haben einige der verschwundenen Menschen an verschiedenen Orten in einem Waldstück gleich außerhalb der Stadtmauer gefunden. Blutleer. Laut Befund wurden sie von Vampiren getötet.“ Evianna trug die Fundorte auf der Karte ein.
„Und daran besteht keinerlei Zweifel?“
Evianna schüttelte den Kopf. „Die Leichen wurden obduziert. Drei davon habe ich außerdem selbst gesehen. Und ich erkenne einen Vampirbiss, wenn ich ihn sehe.“ „Wir sollten uns die Fundorte ansehen“, schlug Shox vor.
„Die BVb hat sie und die Umgebung bereits genauestens untersucht und nichts gefunden.“
„Na, und? Das beweistgar nichts“, sagte Daimon.
„Was soll das heißen?“, fragte Evianna und richtete sich auf ihrem Stuhl auf. Noch bevor Daimon antworten konnte, erhob sichShaytan. „Kannst du uns hinführen?“, fragte er.
Evianna starrte in Daimons rote Augen. Sie fragte sich, ob es Sinn machte, auf diesen verwünschten Albino zu schießen. Lust dazu hätte sie jedenfalls. Daimon lächelte sie herausfordernd an und entblößte dabei zwei Reihen makellos weißer Zähne.
„Evianna?“
Es wurde wirklich höchste Zeit aus diesem alten Gemäuer zu verschwinden. Ein wenig frische Luft würde ihr vielleicht gut tun. Evianna nickte stumm.
Shaytan schob sie zur Tür. Die anderen folgten ihnen nicht.„Fahr vor. Wir finden dich“, sagte Shaytan und ließ sie hinaus. Er selbst blieb drinnen.
Evianna verstand nicht ganz.„Und ich soll nicht auf euch warten?“
„Das wird nicht nötig sein.“ Shaytan lächelte. „Fahr’ einfach zum ersten Fundort. Wir werden kurz nach dir da sein.“
Okay, wenn er es so haben wollte. Evianna schwang sich auf ihr Motorrad. Noch einmal sah sie sich um doch weit und breit war kein Wagen und auch kein anderes Fahrzeug zu sehen. Sie war allein, um sie herum gab es nichts außer Dunkelheit. Sie fuhr los und jagte durch die Nacht. Der schwülwarme Fahrtwind spielte in ihrem Haar und in ihren Kleidern. Der Motor der alten Maschine dröhnte. Schon bald hatte sie die Stadtmauern hinter sich gelassen.
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