Evianna Ebel und die Tafeln des Schicksals
„Gibt’s hier irgendwelche Probleme?“, fragte er beiläufig.
Evianna starrte den Dämonenjäger finster an. „Nein. Die Elben wollten gerade gehen.“
Zagon sah Erland missbilligend an. „Noch einer deiner Fans, Ebel?“ Er richtete sich zu voller Größe auf und zog einen Pfeil aus seinem Köcher. Dabei ließ er Evianna nicht aus den Augen. „Den habe ich extra für dich gemacht, Ebel. Ich warte!“ Er ließ den Pfeil zurück in den Köcher gleiten und rückte ab.
Evianna wollte etwas hinter ihm her brüllen, doch Erland hielt sie zurück. „Warum musst du dich ständig mit ihnen anlegen?“
Evianna sah den Jägern nach, die soeben das Gebäude verließen.„Das ist nicht meine Schuld, ehrlich.“
Erland seufzte. „Bitte, tu’ mir den Gefallen und lass’ es einfach. Sie sind sehr gefährlich.“
Evianna hob die Schultern und setzte sich. „Hast du was für mich?“, fragte sie und hoffte, dass Erland das Thema damit fallen ließ.
„Vielleicht.“ Erland wedelte mit einigen Computerausdrucken. „Wir haben alle Touren der Desco-Lieferungen seit dem ersten Verschwinden eines Menschen durch den Computer laufen lassen.
„Und? Mach’s nicht so spannend.“ Evianna griff nach dem Ausdruck. „Eine Adresse ist jeweils die Letzte auf der Liste, und das, obwohl der Touren-Verlauf dadurch nicht immer der schnellste oder günstigste war. Siehst du?“ Erland tippte auf einen Punkt auf der ersten Seite.
Evianna sah sich auch die anderen Touren an. „Es ist ein wenig außerhalb.“ Erland nickte. „Im großen Rheinbogen.“
Evianna las weiter. „Ich bin gestern dort gewesen. Es ist das alte Herrenhaus.“ „Meinst du, das könnte was sein?“
Eviannalegte die Ausdrucke beiseite. „Ich weiß nicht. Dass diese Adresse immer die letzte auf der Tour ist, könnte auch daran liegen, dass sie das Tor nur zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang öffnen.“
„Was heutzutage nichts Ungewöhnliches ist.“
„Nein. Aber vielleicht rechtfertigt es einen zweiten Blick auf das Ganze, und zwar nach Sonnenuntergang.“ Evianna erhob sich, öffnete die Schreibtischschublade und steckte sich ihre Waffe in den Hosenbund, bevor sie ihre Jacke darüber zog. „Wow“, entfuhr es Erland, als er die Waffe sah. „Was ist das denn? Und wo ist deine alte Waffe?“
„Ich hab’ sie verloren“, sagte Evianna. „Aber sprich besser nicht darüber, okay?“ „Du meinst, du hast es nicht gemeldet?“
„Nein.“ Evianna schob Erland beiseite. „Also dann. Bis später.“
„Du willst wirklich jetzt gleich gehen?“, fragte Erland.
Evianna hielt inne und fragte sich, wo dasProblem lag. „Worauf soll ich warten? Vielleicht darauf, dass noch mehr Menschen verschwinden?“
„Du solltest auf Mehdi und Reuben warten.“
„Nein, danke. Außerdem gibt es für die beiden genug andere Sachen zu tun,
- genau wie für dich und Ben, falls du als nächstes vorschlagen wolltest, selbst mitzukommen.“ Evianna grinste und machte sich auf den Weg.
Erland lief ihr nach. „Wann ist Keir wieder einsatzbereit?“
„Ich hole ihn morgen bei Sonnenaufgang ab“, sagte Evianna. Sie blieb stehen und sah in Erlands sorgenvolles Gesicht. Wenn die BVb der Meinung gewesen wäre, dass sie ihre Aufgaben nicht auch allein bewältigen konnte, hätte man ihr wohl kaum einen Werwolf als Partner gegeben.„Keine Angst. Ich bin ein großes Mädchen und kann selbst auf mich aufpassen.“ Evianna ließ sich die Schlüssel zu einem der Dienstwagen geben.
„Ich weiß.“ Erland starrte auf seine Stiefel. „Aber sei bitte vorsichtig. Es wird immer verrückter da draußen.“
„Versprochen“, sagte Evianna und ging. Sie stapfte über den Parkplatz und schloss die Tür eines uralten Volkswagens auf. Ein Rauschen fuhr durch die umstehenden Bäume und obwohl die Nacht schwülwarm war, streifte sie kurz ein kühler Wind. Evianna zog die Jacke aus und warf sie auf den Rücksitz. Dann stieg sie ein und startete den Motor. Sie fuhr los und hatte bald darauf ihr Ziel erreicht. Sie parkte den Wagen ein gutes Stück weit entfernt, so dass er vom Anwesen aus unmöglich gesehen werden konnte. Das letzte Stück legte sie zu Fuß zurück.
Da das Eingangstor von Kameras überwacht wurde, schlich Evianna um die hohe Mauer, die das Anwesen umgab, herum und suchte nach einer Möglichkeit, ungesehen hineinzukommen. Doch das Anwesen schien besser gesichert zu sein als der Bunker.
Nach langer Suche fand sie eine alte Eiche, die ihre Äste bis über die Mauer streckte.
Eviannas Blick
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