Evianna Ebel und die Tafeln des Schicksals
Evianna zu Boden. Ihre Waffe landete gut zwei Meter von ihr entfernt im Gras. Sie rappelte sich auf und alles was danach kam, ging rasend schnell. Keine zwanzig Meter von ihr entfernt trat der Mann mit dem Funkgerät aus dem Dickicht. Gleichzeitig tauchte zwischen ihr und dem Kerl wie aus dem Nichts eine menschliche Gestalt auf. Der Kerl mit dem Funkgerät zog seine Waffe. Ein leises Plopp verriet ihr, dass er sie auch benutzte. Mit einem Hechtsprung nach links rettete Evianna sich in das nächste Gebüsch. Bis auf ein paar Kratzer war sie unverletzt. Hinter sich vernahm sie das Geräusch von brechenden Knochen. Sie fuhr herum und sah noch wie eine große Gestalt den Wachmann losließ, der daraufhin wie ein nasser Sack zu Boden ging. Schnell kroch Evianna durch das Gras, auf der Suche nach ihrer Waffe. Als sie sie fand, zielte sie, noch immer am Boden liegend, auf die Gestalt, die sich langsam zu ihr umdrehte. Sie glaubte, ihren Augen nicht trauen zu können, denn im blassen Mondlicht erkannte sie Satyr.
Evianna schluckte einen deftigen Fluch herunter. „Spinnst du? Was machst du hier?“, zischte sie stattdessen.
„Ich sehe nach dem Rechten.“
Sie ließ die Waffe sinken. Satyr kam auf sie zu und streckte ihr die Hand entgegen, um ihr aufzuhelfen. Mühelos zog er Evianna auf die Beine. Dabei fiel ihr Blick auf einen dunklen Fleck auf Satyrs Brust. „Er hat dich erwischt. Du blutest“, stellte sie fest und hob die Hand, um sich die Verletzung genauer anzusehen. Satyr packte ihr Handgelenk und hielt es fest. „Kein Problem. Das gibt sich gleich.“
Eviannas Dämonenmal begann schmerzhaft zu brennen. Rotglühend trat es hervor. Satyr betrachtete es eingehend, bevor er sie losließ.
„Ihr beobachtet mich, stimmt’s?“, fragte Evianna, der plötzlich aufging, woher ihr Verfolgungswahn rührte.
Gleichgültig hob Satyr die Schultern.„Das sollte im Moment eins deiner kleineren Probleme sein.“ Mit einem Nicken deutete er auf den Wachmann. „Kümmere dich darum, los.“
Geduckt lief Evianna zu dem leblos wirkenden Mann hinüber und tastete nach der Halsschlagader, wobei sie auf den Kopf des Wachmanns zielte, bereit abzudrücken, sollte er sich plötzlich rühren. Dabei behielt sie Satyr im Blick.
„Der ist hinüber“, erklärte er.
Das hatte Evianna inzwischen ebenfalls festgestellt. Anscheinend hatte Satyr dem Mann das Genick gebrochen. Ein wenig Anspannung fiel von ihr ab. Sie hockte sich neben den toten Wachmann ins Gras. Ihr Dämonenmal brannte wie Feuer, so als wollte Shak sie an ihr Versprechen erinnern. Evianna hob die Hand mit dem Mal und ließ sie unschlüssig über der Brust des Toten kreisen, im Bewusstsein, dass Satyr sie beobachtete.
Sie hatte den Wachmann nicht selbst getötet. Aber dem Dämonenmal schien das egal zu sein.
Wenn Satyr nicht schneller gewesen wäre als der Wachmann, läge jetzt wahrscheinlich ihr Körper tot hier im Gras. Es war sozusagen Notwehr gewesen. Aber rechtfertigte das, die Seele des Mannes auf direktem Wege zu Shak zu schicken? Falls sie das durchziehen wollte, würde sie schnell machen müssen, denn lange würde seine Seele nicht mehr in diesem Körper bleiben. Die Fergen würden ihn abholen, die Frage war nur: wohin würden sie ihn bringen? Zu den guten oder den bösen Jungs? Evianna musste eine Entscheidung treffen, und das schnell. „Na los. Tu‘ es“, sagte Satyr, der offenbar ahnte, worüber sie nachdachte. Evianna war nicht überrascht.„Du weißt, was das bedeutet, oder?“
Satyr nickte. „Du schickst einen Vampir zur Hölle. Gut so. Er ist eh seit langem tot. Seine Seele wird dir dankbar sein und der Rest der Menschheit auch. Also bring es endlich hinter dich. Es ist die einzige Möglichkeit, dich von dem Mal zu befreien.“ Evianna zögerte, bevor sie die Hand langsam auf die Brust des Vampirs sinken ließ. Sie hoffte, dass es noch nicht zu spät war. Als ihre Hand den toten Körper berührte, durchfuhr sie ein Strom reinster Energie. Evianna löste die Verbindung. Sie ließ sich zurückfallen und atmete schwer.
Satyr kam näher.„Erhebst du auch Anspruch auf seinen Körper?“, fragte er. In seinen Augen funkelte der Hunger.
„Was?“ Evianna verstand die Frage nicht.
„Ich habe ihn erlegt und dir seine Seele überlassen. Was wird aus seinem Körper?“ Langsam dämmerte es ihr. „Du willst seinen Körper? Bitte. Er gehört dir.“ Darauf kam es jetzt ja wohl auch nicht mehr an.
„Dann geh’ beiseite.“
Evianna stand auf und ging ein paar
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