Evies Garten (German Edition)
Windstoß, der alles von Ihrer Kommode abgeräumt hat. Und wenn ich es in der Hand habe, muss ich an einen wunderschönen Baum denken. Es ist, als würde es mich darum bitten, es einzupflanzen.«
Maggies Miene spiegelte Erstaunen wider. »Ich verstehe.« Sie hielt inne. »Und jetzt möchtest du wissen, wo das Saatkorn herkommt, weil du den Verdacht hast, dass ich dir etwas verschwiegen habe.«
»Ja«, gab Evie zu.
Maggie starrte aus dem Schaufenster. Sie sah wieder aus, als wollte sie etwas sagen, zögerte und fuhr dann fort: »Es gibt da noch etwas, aber das ist keine schöne Geschichte. Trotzdem verstehe ich, dass du es wissen willst.«
Evie beugte sich vor. »Würden Sie es mir bitte erzählen?«
»Also …«, fing Maggie an, »es hat mit meiner Schwester Eva zu tun. Weißt du, Pap brachte drei Dinge von seiner Reise mit. Was ich dir nicht gesagt habe war, dass es drei Saatkörner waren. Sie stammten alle aus dem Grab mit der Legende, von dem ich dir erzählt habe, und sollten denen, die es am meisten brauchten, ein gutes Leben bringen. Aber es gab auch eine Warnung.«
»Eine Warnung wovor?«, wollte Evie wissen.
»Sie war verschlüsselt«, erklärte Maggie. »Irgendwas über Leben, das gegeben wurde und das mit Leben bezahlt werden muss. Wenn ich mich recht entsinne, ging es darum, eine Entscheidung zu treffen …«
Maggie sah in Evies weit aufgerissene Augen.
»Das kann natürlich alles bedeuten. Und ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass die Saatkörner wirklich aus dem Paradies stammen. Ich glaube auch nicht, dass sie irgendwelche magischen Kräfte besitzen.« Sie richtete sich auf. »Mein Vater kann auch nicht ernsthaft daran geglaubt haben, sonst hätte er sie so sicher versteckt, dass Eva sie nicht gefunden hätte.«
Evie hielt den Atem an.
»Oh ja«, sagte Maggie. »Eva hat alle drei samt den Kästchen gestohlen, weil sie so wütend auf Pap war. Sie ist damit auf die Plantage gegangen, um sie dort einzupflanzen. Rodney wollte ihr die Saatkörner wegnehmen, doch sie rannte einfach weiter. Er hat sie nur für einen kurzen Moment aus den Augen verloren, aber die Zeit reichte ihr. Als er sie fand, hatte sie das erste Saatkorn schon in die Erde gesteckt.
Ich weiß noch, wie er mir immer ihren Gesichtsausdruck beschrieben hat … wie sie hinauf in den Himmel starrte, als würde sie dort etwas Wunderschönes sehen. Aber Rodney sah nichts. Dann ging Eva weiter. Er rief sie zurück. Doch im Handumdrehen war sie spurlos verschwunden, und seitdem hat keiner sie wiedergesehen. Alles, was Rodney noch fand, waren die anderen beiden Saatkörner in ihrem Kästchen.« Maggie seufzte. »Rodney glaubte seitdem, dass man mithilfe dieser Saatkörner an einen verzauberten Ort gelangt. Er war sein Leben lang felsenfest davon überzeugt, dass der Apfelgarten den Preis für Evas Verzauberung bezahlt hat. Aber das sehe ich anders. Ich weiß, dass Rodney die beiden übrigen Saatkörner immer wieder eingepflanzt hat, weil ich ihn mehrmals dabei erwischt habe, aber es ist natürlich nichts passiert. Ich glaube, sogar Pap hat es ein paarmal versucht.« Sie machte eine Pause. »Ich war eigentlich sicher, dass sie längst weg sind.«
Evie schwieg und versuchte sich vorzustellen, wie der fünfzehnjährige Rodney seine Schwester verschwinden sah und verzweifelt versuchte, sie wiederzufinden.
»Das Saatkorn hat Eva vielleicht ins Paradies gebracht«, meinte Evie, doch Maggie schüttelte den Kopf.
»Das ist unmöglich. Die Geschichten über das Paradies sind eindeutig – niemand darf dorthin zurück. Es wird von Cherubim und Seraphim, den Engeln mit den flammenden Schwertern, bewacht.«
Evie überlegte. Plötzlich schlug ihr Herz schneller. »Was ist, wenn es noch einen anderen Garten gibt?«
»Aber vielleicht findet jeder von uns eines Tages seinen eigenen vollkommenen Garten.«
»Das kann schon sein«, sagte Maggie, doch man sah ihr an, dass sie es nicht glaubte.
Die nächsten Worte brachte Evie nur mühsam heraus. »Mein Saatkorn ist also eines der Körner, die dein Vater von seiner Reise mitgebracht hat?«
Maggie trommelte mit den Fingern auf die Kassentheke. Dann warf sie einen Blick nach hinten, wo Vater sich umsah.
»Ich bin nicht sicher«, erklärte sie, »aber so wie ich Rodney kenne, müsste die Antwort Ja lauten. Aber ich schwöre dir, Eva, ich glaube nicht, dass das Saatkorn meine Schwester entführt hat.«
Evies Augen quollen vor Aufregung fast über. »Wo könnte sie denn sonst hingegangen
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