Evies Garten (German Edition)

Haaren und verschränkten Armen auf der Veranda.
    »Na, endlich«, begrüßte er sie. »Ich warte schon den ganzen Morgen auf dich.«
    »Ich wollte dich gerade suchen«, verteidigte sich Evie.
    »Ja, weil ich dich mit meinen Geisterkräften gerufen habe.« Alex erhob sich. »Hast du dein Saatkorn schon eingepflanzt?«
    »Nein, aber rate mal, was ich herausgefunden habe.«
    »Du hast herausgefunden, dass du es auch woanders als auf der Plantage pflanzen kannst?«, fragte Alex hoffnungsvoll, doch Evie seufzte nur.
    »Hör auf. Sei doch kein Angsthase. Ich hab mit Maggie gesprochen, und weißt du was? Das Saatkorn, das Rodney mir geschenkt hat, stammt direkt aus dem Paradies!«
    Alex kniff die Augen zusammen. »Hast du das erfunden?«
    »Es ist wahr.« Evie hob die Finger zum Schwur. »Ursprünglich waren es drei, und Maggies Schwester hat eins benutzt, kurz bevor sie verschwunden ist. Rodney glaubte, dass sie verzaubert worden ist, und er hat bestimmt recht gehabt.« Sie machte eine Pause und beugte sich vor. »Denk doch mal nach, Alex. Meine Mutter hat gesagt, dass auf jeden sein eigener Garten wartet, nur können wir ihn erst nach unserem Tod finden. Aber vielleicht …«
    »Wer will schon einen Haufen olles Gemüse, wenn er gestorben ist?«
    Genervt hob Evie die Hände. »Es geht doch nicht um Gemüse. Lass deiner Fantasie freien Lauf! Jeder einzelne Mensch hätte seinen Garten. Dort könnte es Flüsse oder Berge oder weiße Wolken geben – ganz wie man will …«
    »Klingt wie im Himmel«, stellte Alex fest, doch dann runzelte er die Stirn. »Ich dachte, die Geschichten deiner Mutter werden nicht wahr?«
    »Die hier ist anders«, erklärte Evie. »Das Saatkorn ist ja nichts, was meine Mutter sich ausgedacht hat. Maggies Vater hat es auf einer echten Expedition gefunden, und es wird ein echtes Abenteuer werden, wenn ich es einpflanze …«
    Alex kratzte an der rissigen Farbschicht auf dem Verandageländer herum. »Ich mag Abenteuer«, erklärte er. »Das hab ich schon immer. Ich bin der mutigste Mensch, den ich kenne …« Er hielt inne. »Meistens jedenfalls.«
    Evie sprang die Verandatreppe hinab und ging entschlossen zwischen den Bäumen durch, bis sie den ganzen Garten einmal der Breite nach durchquert hatte. Alex folgte ihr. Sie zählte im Vorbeigehen die Baumreihen und teilte sie dann durch zwei, um die Mitte zu finden.
    »Der hier markiert die Mitte«, bestimmte sie und band ihren neuen roten Schal um einen der unteren Äste eines Baums in der mittleren Reihe. Dann sah sie sich nach Rodneys Grab um. »Es muss weiter hinten im Garten sein«, überlegte sie. »Was meinst du?«
    Alex musterte prüfend die Bäume, die bis zum Horizont reichten. »Kann ich das Saatkorn noch mal sehen?«, bat er.
    Evie holte das Kästchen aus der Tasche und hob den Deckel ab. Plötzlich wirbelte ein Windstoß um sie herum, und Alex zuckte zusammen.
    »Willst du denn nicht auch wissen, ob man damit zaubern kann?«, flüsterte Evie.
    Und tatsächlich schloss Alex die Augen und hielt den Atem an. Dann machte er einen Riesenschritt nach vorn, öffnete erst ein Auge und dann das zweite und sah sich nervös um. Doch nichts passierte.
    »Siehst du?«, sagte Evie. »So schlimm war es doch gar nicht.«
    Er stieß hörbar den Atem aus. »Ich hab gewusst, dass es nicht schlimm ist«, behauptete er, doch sein Blick wanderte ängstlich umher.
    Evie streckte ihm die Hand hin. »Wir gehen erst zurück, wenn wir das Grab vom alten Rodney gefunden und das Saatkorn darauf eingepflanzt haben«, sagte sie. »Okay?«
    Alex zögerte, aber dann legte er seine eiskalte Hand auf ihre. »Wir gehen nicht zurück«, sagte er. »Noch nicht mal, wenn wir einem Gespenst begegnen.«

Zeichen
    Je weiter sie gingen, desto leiser wurde der Lärm von Vaters Kettensäge. Evie spürte, dass Alex und sie sich weiter vom alten Haus entfernten, als Vater ihr erlaubt hätte, aber die Bäume nahmen kein Ende.
    Zuerst lief Alex noch mehrere Schritte hinter ihr und sah sich immer wieder nervös um, doch je weiter sie gingen, desto dichter folgte er ihr. Evie sah nach vorne, doch sie zitterte vor Aufregung, wenn sie daran dachte, was als Nächstes geschehen könnte.
    »Glaubst du wirklich, dass wir durch diesen Garten vielleicht in den Himmel gelangen?«, fragte Alex schließlich.
    »Kann sein«, sagte Evie.
    »Da würde ich gerne hin«, flüsterte Alex.
    Evie verlagerte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen. »Aber was ist mit deiner Familie? Willst du nicht hier