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Evies Garten (German Edition)

Evies Garten (German Edition)

Titel: Evies Garten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K.L. Going
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gegangen und hatte beim Sprechen wild mit den Händen gefuchtelt. »Sie reden sich Flüche und Pechsträhnen ein, aber das ist nichts als Dummheit. Die Bäume sind bloß krank, es bedarf nur harter Arbeit und sie werden wieder gesund.«
    Evie war es egal, ob die blöden Bäume wieder gesund wurden oder nicht. Warum sollten Bäume wieder gesund werden, wenn Menschen es nicht wurden? Selbst der alte Mann war bald nach dem Anruf gestorben. Sie hatte beide Daumen gedrückt, weil sie hoffte, dass aus dem Kauf nichts wurde. Aber die Schwester des alten Mannes hatte ihnen das Grundstück verkauft, was ganz im Sinne ihres Bruders gewesen war. Und jetzt, drei Monate später, waren sie auf dem Weg dahin.
    Evie verzog das Gesicht und starrte aus dem Fenster.
    »Hoffentlich kommen wir nie an«, murmelte sie, doch Vater warf ihr nur einen Seitenblick zu und seufzte. Er streckte die Hand aus und strich Evie das Haar aus der Stirn. Die Ponyfransen hingen ihr in die Augen, weil Vater keine Zeit mehr gefunden hatte, sie zu schneiden – noch nicht mal, als Evie ihn darum gebeten hatte. »Morgen« , hatte er immer nur gesagt. »Jetzt muss ich mich um einen kranken Baum kümmern, aber ich verspreche, ich mache es morgen.«
    Aber dieser Morgen kam nie, und jetzt war die Schere zusammen mit allen anderen Sachen verpackt. Evie zog den Kopf weg, und Vater legte seine Hand wieder aufs Steuer.
    »Wir sind fast da.« Vaters Stimme klang weich. »Ich denke, es sind noch fünf Meilen bis Beaumont, vorausgesetzt, wir erwischen die richtige Straße.« Er zögerte und sah zu Evie hinüber. Ihre Blicke kreuzten sich.
    »Sag du wohin, Evie.«
    Und schon drehte sich Evies Magen um.
    »Entscheide du, Tally.«
    Es war immer Moms Aufgabe gewesen, den richtigen Weg zu finden. Schon immer. Vater sagte, sie hätte einen perfekten Orientierungssinn, doch Mom hatte gesagt, dass der Wind ihr zuflüsterte, welcher Weg der richtige war.
    Evie stellte sich vor, wie ihre Mutter aus dem Lastwagen gestiegen wäre, um sich die Weggabelung näher anzusehen. Sie hätte ganz still und gerade dagestanden in der Arbeitshose mit den vielen Taschen, die Evie so liebte, und mit den stabilen Ledersandalen, die sie das ganze Jahr über trug – sogar im Winter, und ein Haarband hätte ihre Korkenzieherlocken zusammengehalten. Dann hätte sie tief eingeatmet und so lange gewartet, bis sie wusste, welchen Weg sie nehmen musste.
    Evie wollte aussteigen und genau an der Stelle stehen, an der sie sich gerade ihre Mutter vorgestellt hatte. Der Wind draußen blies heftig und fast schien es, als wollte er ihr etwas sagen, fast schien es, als würde Evie dieses Mal etwas anderes hören als nur betäubende Stille. Sie wollte so sehr etwas hören, dass es in ihrem Inneren brannte wie Knie, die man sich auf dem Asphalt aufschürft, aber gleichzeitig spürte sie schon, wie ihr ganzer Körper sich verkrampfte und ihre Ohren sich verschlossen, bis sogar die Schreie der Krähen in der Ferne verstummten.
    »Nun mach schon«, drängte Vater. Evie schüttelte den Kopf.
    Vaters Hände umklammerten das Steuer. Endlich ließ er den Motor an, und der alte Lastwagen sprang rumpelnd und ächzend an. Vater atmete ein paarmal laut ein und aus, bis es so schien, als wäre der letzte Rest an Sauerstoff aus seiner Lunge entwichen.
    »Dann halt links«, entschied er schließlich. »Es macht sowieso keinen Unterschied.«

Der bleiche Junge
    Als sie in den Nebel und in den Wald hineinfuhren, fielen Evie Hänsel und Gretel ein, und sie wünschte sich plötzlich, Brotkrümel in der Tasche zu haben wie in dem Märchen, das ihre Mutter ihr abends so oft vorgelesen hatte. Die Straße krümmte und wand sich schier endlos. Dann wurde der Asphalt zu Kies, und nun holperte der Lastwagen eine ganze Weile mühsam den Weg entlang. Dann wurden die Bäume am linken Straßenrand spärlicher, und auf einmal zeigte Vater geradeaus.
    »Da vorne ist der Apfelgarten.«
    Evie starrte auf die langen Reihen von Apfelbäumen. Natürlich waren sie abgestorben. Jeder, der schon mal was über Beaumont gehört hatte, wusste das. Trotzdem war die Luft immer noch erfüllt vom Duft nach kräftigem Apfelmost. Als sie näher an die Bäume herankamen, streckten sie ihnen ihre Äste wie abgemagerte Arme entgegen, als wollten sie sie davor warnen, näher heranzukommen.
    »Sei vorsichtig zwischen Bäumen« , hatte Mom einmal zu ihr gesagt. »Zwischen ihren Wurzeln und Ästen kann sich das Tor zu einer anderen Welt verbergen …« Aber nun

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