Evies Garten (German Edition)
ließ ihre verkümmerten Blätter hängen.
Vater betrachtete sie besorgt im flackernden Lichtschein. Seine Augen schimmerten.
Die Wärme des Feuers fühlte sich unerwartet angenehm an. Sie verdrängte die Kälte, und Evies Zähne hörten auf zu klappern, doch gerade als sie anfing, sich wohlzufühlen, kam eine Polizeibeamtin ins Zimmer und stellte sich hinter Vater.
»Ich muss ihr ein paar Fragen stellen«, sagte die Polizistin bestimmt, und Vater nickte. Doch Evie schüttelte den Kopf. Was sollte sie sagen? Dass sie einen Apfel gegessen hatte, den sie von einem Zauberbaum gepflückt hatte, und dass sie einen Ort gesehen hatte, den es gar nicht geben konnte, und dass Alex …
»Warten Sie noch eine Minute«, sagte Vater. »Sie ist doch gerade erst nach Hause gekommen. Sie muss erst etwas Heißes trinken und etwas essen.«
Die Polizistin nickte, und Vater stand auf, um in die Küche zu gehen. Doch dann blieb er zögernd stehen und sah Evie von Kopf bis Fuß an, als wollte er sich vergewissern, dass sie wirklich da war.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte er. Evie nickte.
»Dann bin ich gleich wieder da«, sagte er und verließ das Wohnzimmer. Die Polizeibeamtin setzte sich in einen der Schaukelstühle vor dem Kamin. Sie lächelte Evie freundlich an, dann wandte sie sich einer Person zu, die in der dunklen Ecke des Raums saß. »Hallo, Maggie«, sagte sie. »Du bist also immer noch hier, was?«
Erst jetzt bemerkte Evie, dass Maggie eingehüllt in Decken in dem Schaukelstuhl saß, der am weitesten vom Kaminfeuer entfernt stand. Maggie wirkte müde und älter, als Evie sie je gesehen hatte. Ihr langes Haar war offen und fiel ihr auf die Schultern. Sie nickte der Polizistin zu und wandte sich an Evie.
»Hallo, Eva«, sagte sie. »Ich habe mir Sorgen um dich gemacht.«
Ihre Blicke trafen sich, und Evie wurde rot, als ihr das Versprechen wieder einfiel. Sie hatte es gebrochen. Wenn die Polizistin nicht da gewesen wäre, dann hätte sie sich sofort bei Maggie entschuldigt und ihr die ganze Geschichte erzählt.
Evie war unbehaglich zumute, doch Maggies Gesicht wurde weich und freundlich. »Nur gut, dass du wieder da bist«, sagte sie, als könnte sie Evies Gedanken lesen.
Ihr Vater kam mit einer Schüssel Suppe und einem Becher mit dampfendem Pfefferminztee zurück. Er stellte das Tablett neben der Couch ab, und Evie setzte sich auf, um zu essen. Vater setzte sich neben sie und strich ihr das Haar aus der Stirn. Überrascht erinnerte sie sich daran, dass Mom dasselbe getan hatte. Es hatte sich wundervoll angefühlt, doch Vaters Geste fühlte sich auch wundervoll an. Evie fragte sich, wie sie das vergessen konnte.
Sie aß ein paar Löffel, und die Polizistin sah Vater kurz an. Dann nahm sie einen Schreibblock zur Hand. »Ich bin froh, dass du wieder da bist, Eva«, sagte sie. »Ich muss dir zwar ein paar Fragen stellen, aber du sollst wissen, dass du keinen Ärger bekommst. Wir brauchen nur so viele Informationen wie möglich, um den vermissten Jungen zu finden. Was immer du uns dazu sagen kannst, wäre uns eine große Hilfe. Bevor ich hierhergekommen bin, war ich bei seinen Eltern, und die kommen vor Sorge fast um. Seine Mutter betet, dass er zurückkommt, und das macht sie schon pausenlos seit vielen Stunden.«
Evie senkte den Blick und versuchte, sich dieses Bild nicht vorzustellen.
Die Polizeibeamtin räusperte sich. »Warst du heute mit Adam zusammen?«
Evie zögerte. Wenigstens einen Teil der Wahrheit konnte sie verraten. »Der Junge, mit dem ich zusammen war, hat gesagt, er heißt Alex.«
»Kannst du uns irgendwas über ihn sagen?«
Evie überlegte. »Er hatte braune Augen und dunkle Haare, die er nie gekämmt hat, und deswegen hingen sie ihm oft ins Gesicht. Und er hat immer einen großen schwarzen Mantel und eine schwarze Hose an. Ich hab ihn am Tag der Beerdigung zum ersten Mal gesehen, und da hat er dasselbe angehabt.«
Die Polizistin durchsuchte einen Stapel loser Blätter in ihrem Notizbuch und zog ein Foto heraus, auf dem zwei Jungen in Fußballuniform abgebildet waren. Einer von ihnen lehnte an der Schulter des anderen. Beide Jungen lachten, und der zweite Junge hielt hinter dem Kopf des ersten Jungen zwei Finger hoch, die wie Hasenohren aussahen.
»Hat der Junge so ausgesehen?«
Evie betrachtete das Foto sorgfältig. Es war Alex – gleich doppelt. Die Jungen sahen sich so ähnlich, dass Evie nicht sagen konnte, wem von ihnen sie begegnet war.
»Ja«, sagte sie.
»Das ist ein Foto von
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