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Evil - Das Böse

Evil - Das Böse

Titel: Evil - Das Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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ganze Zeit gefürchtet habe. Der arme Göran habe berichtet, wie er nachts vor Angst geweint habe und wie sehr er alles bereue, und wie Erik ihn immer wieder gezwungen habe, weiterzumachen.
    Wer aber seine Kameraden quäle und in Angst versetze, der sei es nicht wert, weiter am Unterricht teilzunehmen. Das allein sei im Grunde für einen Verweis schon ausreichend.
    Man könne sich natürlich fragen, warum gerade Erik so geworden sei. Wahrscheinlich habe es ihm im Leben an einer gelegentlichen ordentlichen Tracht Prügel gefehlt.
    Was nun die Sache mit dem Unterricht anginge, so sei von Seiten eines Teils des Lehrkörpers als mildernder Umstand angeführt worden, dass Erik als selten begabter Schüler gelten müsse. Zumindest für das Protokoll wolle man diesen Umstand erwähnen.
    Aber wenn der Rektor richtig verstanden habe, dann sei das durchaus kein mildernder Umstand, eher sei das Gegenteil der Fall. Denn so gewiss man für Knaben, die weniger reichlich mit anderen Gaben ausgestattet waren, ein gewisses Verständnis aufbringen könne, für Karlsson (Leuchtturm) zum Beispiel, der sich habe verführen lassen, so gewiss müsse das Urteil für den, der offenen Auges seine Kameraden verführe, umso härter ausfallen. Auch hätten die psychologischen Experten des Jugendamtes eine überaus sorgfältige Studie aller beteiligten Knaben erstellt, und was Erik angehe, so sei das Ergebnis geradezu beängstigend ausgefallen. Nicht weil man eine hohe Intelligenz festgestellt habe, etwas anderes habe niemand erwartet, sondern weil die Tests auf eine Persönlichkeit von fast unüberwindlich kriminellem und rücksichtslosem Charakter hindeuteten. Somit ergebe sich eine Schlussfolgerung vergleichsweise einfach (hier steigerte der Rektor sich endlich in rote, schwellende Schläfen und in die Stirn hängende Haare hinein):
    »Du bist das personifizierte Böse und als solches musst du vernichtet werden!«, brüllte er.
    Diese Worte jagten wie gefangene Vögel in Eriks Kopf hin und her. Er hörte nicht mehr deutlich, was der Rektor weiter brüllte. Es lief darauf hinaus, dass er die Schule noch am selben Tag mit einer bodenlos schlechten Betragensnote verlassen musste und der Rektor persönlich seine Kollegen in der Stadt warnen wollte, damit nicht noch eine Schule der moralischen Zersetzung ausgeliefert würde.
    Ungefähr zu diesem Zeitpunkt machte Erik auf dem Absatz kehrt und ging, um sich nicht noch mehr anhören zu müssen. Als er die Tür hinter sich schloss, registrierte er, dass es drinnen still geworden war.
    Als er den Schulhof erreichte, blieb er stehen und schaute sich auf der weiten Asphaltfläche um. Unten am westlichen Ausgang wurde Völkerball gespielt. An der Querwand der Turnhalle wurde Prellball gespielt. Hinten bei den Kastanien wurde Weitsprung geübt. Drei kleine Jungs aus der I kamen mit Butterkuchen in weißen Tüten aus der Bäckerei. Unter den großen Kastanienbäumen lagen schon braune Kastanien auf dem Boden. Die Sonne schien, keine Wolke stand am Himmel, und niemand sah ihn.
    » Du bist das personifizierte Böse und als solches musst du vernichtet werden!«, das dröhnte immer wieder in seinem Kopf. Göran hatte alles zugegeben und ihm die Schuld zugeschoben. Alle hatten bei den Verhören gelogen. Sie waren seine Freunde gewesen.
    Wer die Mittelschule nicht abschließen konnte, konnte auch nicht aufs Gymnasium und Abitur machen, und wer kein Abitur machte, hatte sein Leben schon ruiniert.
    Was ihm fehle, sei eine gehörige Tracht Prügel? Kapierten die denn gar nichts, hatten die denn gar keine Ahnung von Prügeln?
    Er ging auf den Ausgang zu. Dann aber überlegte er sich die Sache anders und ging hinauf ins Klassenzimmer. Sie hatten gerade Religion, und es wurde still, als er hereinkam. Wortlos ging er zu seiner Bank, stopfte die Schulbücher in seine Tasche und streifte die Seidenjacke mit dem Drachenmuster auf dem Rücken ab. Er hängte die Jacke über seinen Stuhl. Im Raum herrschte noch immer tiefe Stille. Dann ging er hinaus, ohne sich umzudrehen und ohne seine Jacke mitzunehmen. »Du bist das personifizierte Böse und als solches musst du vernichtet werden!«, hallte es in seinem Kopf wider, als er über den Flur mit den hohen weißen Fenstern und dem abgenutzten grauen Marmorboden ging.
    Er saß auf einer Bank im Vasapark und ging alles durch, was sich als unmöglich erweisen würde. Es würde unmöglich sein, sich unter einem anderen Namen an einer anderen Schule zu bewerben. Es wäre unmöglich,

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