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Evil - Das Böse

Evil - Das Böse

Titel: Evil - Das Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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mögliche Inhalt von Pierres Einschätzung der Verhältnisse sein mochte.
    »Du kriegst öfter Prügel von denen vom Gymnasium, meinst du?«
    »Ja, und in jedem Fall hält man sich lieber bedeckt«, sagte Pierre leise.
    »Und was machst du, um dich in jedem Fall bedeckt zu halten?«
    »Ich bin dick und gut in der Schule und gelte als Büffeltier. Vermutlich gelte ich auch als feige. Und die finden es nicht witzig, einen Typen zu schlagen, der intellektuell und feige ist. Für dich kann das schlimmer werden. Das kapierst du ja leider nicht: was es bedeutet, wenn ein Typ von der Mittelschule sie im Sport fast besiegt. Du musst in der nächsten Zeit mit dem einen oder anderen Peppis rechnen, da gibt es kein Vertun.«
    »Was ist ein Peppis?«
    »Man schlägt mit dem Schaft eines Tischmessers auf die Schädelspitze. Oder mit der Faust und dem Ringfingerknöchel -so, siehst du - auf die Schläfe oder die Nase.«
    Erik stand mit einem Laufschuh in der Hand da und versuchte zu begreifen, dass es ein großer Fehler gewesen sein sollte, überhaupt einen Wettkampf gewinnen zu wollen. Er war also »neu und frech«. Gymnasiasten von der Sorte, die bei Tisch als Chef dasaßen, würden ihm befehlen können, den Kopf zu senken und Schläge hinzunehmen, ohne sich dagegen zu wehren.
    »Verdammte Scheiße!«, schrie er und warf den Schuh gegen die Wand. »Scheiße, jetzt geht das doch wieder los. Ich will mich nicht prügeln, ich will nicht, ich hab das satt!«
    »Hattet ihr auf deiner alten Penne auch Ratis?«, fragte Pierre vorsichtig.
    »Nein … ach, das kann ich jetzt nicht erklären. Ein andermal, komm, wir gehen futtern.«
    Auf dem Weg zum Speisesaal erklärte ihm Pierre, das Schlimmste lege sich nach den ersten Wochen, man müsse die Schläge nur ohne zu jammern und ohne frech zu werden einstecken. Vor allem die Neuen würden im Geist von Stjärnsberg gedrillt. Alle Neuen hätten es deshalb zu Anfang schwer, aber die, die sich wehrten, kassierten nur noch mehr Prügel und würden länger als die anderen, die keinen Widerstand leisteten, als neu und frech bezeichnet. Erik überlegte, dass es dann ja möglich sein müsse, sich so weit zusammenzureißen, dass man die Schläge eben hinnahm, ungefähr so, wie er es bei seinem Vater immer gemacht hatte. Aber wenn er keine Miene verzog, würden sie es vielleicht als Herausforderung auffassen und weiterschlagen, bis er doch eine verzog, und was, wenn er sich dann nicht beherrschen konnte?
    »Was passiert, wenn man einen aus der Abiturklasse zusammenschlägt?«, fragte er Pierre.
    Pierre blieb mitten auf dem Kiesweg stehen und rückte seine Brille gerade.
    »Das ist noch nie vorgekommen. Ich hab jedenfalls nie davon gehört. Vermutlich ist es nicht verboten . nein, es ist nicht verboten, aber es geht trotzdem nicht.«
    »Wieso nicht?«
    »Nun ja, selbst wenn man einen aus der Abiklasse zusammenfalten könnte, würde das als Frechheit den höheren Klassen gegenüber gelten, und das bringt einen Samstagsonntag. Außerdem geht der Typ aus der Abiklasse zu einem Rati, und bei einem Rati darf man nicht zurückschlagen, sonst fliegt man.«
    Beim Abendessen zog sich ein Mittelschüler, der Erik gegenübersaß, einen Peppis zu, weil er über den Teller eines anderen hinweg nach dem Salzstreuer gegriffen hatte. Das sah der Tischmajor und brüllte ein schroffes Kommando. Der Übeltäter stand auf, trat in Habtacht-Stellung vor den Tischmajor, senkte den Kopf und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. Der Tischmajor wischte sich den Mund mit der Serviette ab und drehte sich langsam zu dem Delinquenten um. Dann nahm er ein sauberes Messer und wiegte es einige Male in der Hand hin und her, ehe er mit dem Schaft auf den Kopf des Delinquenten schlug, der aufheulte und unter dem Gelächter der anderen am Tisch an seinen Platz zurückkehren durfte. Dem Jungen standen Tränen in den Augen.
    Ein Peppis war also nicht besonders schwer zu ertragen, wenn man nur an den Schlag an sich dachte. Man musste den Kopf senken und warten. Und dann kam das Gelächter. Man musste sozusagen Kompromisse eingehen. Das Einfachste schien es zu sein, den Schlag hinzunehmen und mit keiner Regung zu verraten, dass es wehtat. So könnte man das Gelächter neutralisieren. Jede andere Verhaltensweise würde entweder zu einer Schlägerei führen oder man würde ausgelacht und verspottet werden. Der neue, unbekannte Erik mit der blöden Frisur musste einen Kompromiss eingehen. Das musste er einfach.
    Kaum hatte er sich das

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