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Evil - Das Böse

Evil - Das Böse

Titel: Evil - Das Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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der Mittelschule, ein ungewöhnlich neues und freches Karnickel, findet ihr nicht, Jungs?«, begann Schenken.
    »Ich bin kein Karnickel«, sagte Erik verbissen und verschränkte die Hände hinter dem Rücken.
    Ich darf nicht zuschlagen, ich darf nicht zuschlagen, dachte er, konnte es aber nicht verhindern, dass er gleichzeitig Gewicht, Reichweite, Arm-und Bauchmuskulatur seiner Gegner bewertete. Es würde ein Kinderspiel werden, aber mit einer Katastrophe enden.
    »Aber sicher bist du ein kleines Karnickel, du flitzt jedenfalls wie eins. Oder vielleicht auch wie ein Hase«, sagte Schenken und ließ sich das selbstverständliche Kumpelgelächter servieren.
    »Im nächsten Finale werde ich dich so problemlos schlagen wie heute im Vorlauf«, konterte Erik.
    Das brachte ihn auf dasselbe Niveau wie Schenken, denn es war die unleugbare Wahrheit und das wusste Schenken genau. Ein Sprinter aus der Abiklasse kann eigentlich einen noch schnelleren Sprinter von der Mittelschule nicht wirklich verspotten.
    Eriks Erwiderung tat auch einigermaßen ihre Wirkung. Das Gelächter verstummte, und Schenken beschloss, sachlich zu reden, anstatt zu spotten.
    »Du putzt die Schuhe, dass sie jeder Inspektion standhalten. Vor allem die Fußballschuhe haben zu glänzen wie kleine Kinderärsche, ist das klar?«
    Jetzt musste er sich entscheiden. Die schlechteste Lösung wäre, Schenken sofort zusammenzuschlagen. Durch einen Überraschungsangriff hätte er ihn grün und blau geschlagen, bevor die anderen aus der Abiklasse sich einschalten konnten. Aber das konnte natürlich zu überaus unangenehmen Konsequenzen führen, außerdem wollte er eine solche Situation ja um jeden Preis vermeiden. Andererseits, wenn er vor der Bande in die Knie ging und unter Hohn und blöden Sprüchen Schenkens Schuhe wienerte, geriet er womöglich noch mehr in Wut und die Sache endete doch in einer Schlägerei. Also blieb nur eine Möglichkeit: ein Kompromiss. Die anderen warteten offenbar mit einer gewissen Spannung darauf, wie er sich verhielt, und ihnen war anzusehen, dass sie sich ihrer Sache nicht ganz sicher waren.
    »Nie im Leben«, sagte er, machte auf dem Absatz kehrt und lief aus dem Raum, bevor es Ärger geben konnte.
    Es war zwar ein Kompromiss, aber Ärger würde es trotzdem geben. So etwas musste eigentlich eine härtere Strafe nach sich ziehen als nur einen Samstagsonntag. Aber hätte er es über sich gebracht, vor den Abitypen auf den Knien zu hocken und eine Stunde lang unter Hohn und Spott Schuhe zu putzen? Hätte er die garantiert folgenden Scheininspektionen ertragen, die ihn unweigerlich erinnert hätten, wie er für den Vater Birkenruten holen musste? Hätte er es nicht trotzdem schaffen müssen? Wenn man die Willenskraft hatte, Schläge zu ertragen, musste man dann nicht ebenso leicht Hohn und Spott hinnehmen können? Wo war da der Unterschied? Der Unterschied kam Erik riesig groß vor.
    Die anderen wussten über ihn nur, dass er ein guter Sportler war und mit Leichtigkeit den Schulrekord über fünfzig Meter Freistil brach. Hätten sie ihn da nicht leichter als Neuen akzeptieren müssen als einen wie Pierre?
    »Nein«, sagte Pierre, »man darf sich so wenig bemerkbar machen wie möglich, wenn man hier durchkommen will. Je mehr du dich bemerkbar machst, umso witziger finden sie es, dich zum Kiosk und zum Schuheputzen und so zu verdonnern. Man darf weder gut noch schlecht sein, weder Brillenschlange wie ich noch Sportskanone wie du. Das Beste ist, stinknormal zu sein und nicht aufzufallen.«
    »Hättest du die Schuhe geputzt, Pierre?«
    Pierre lag eine Weile stumm in der Dunkelheit und überlegte.
    »Ja«, sagte er endlich. »Ich glaube schon.«
    Wieder schwiegen sie eine Weile.
    »Hättest du es getan, weil du dich vor Schlägen fürchtest?«
    »Ja, vielleicht. Zumindest, wenn es Schenken gewesen wäre, er ist einer von denen, die dir gern den Ein-Stich-Schlag verpassen. Stimmt, du kannst nicht wissen, was der Ein-Stich-Schlag ist, ich hab’s vergessen zu erzählen, als du dich nach den Peppis erkundigt hast. Peppis schlagen sie meistens mit dem Fingerknöchel, wie ich dir erklärt habe. Manchmal nehmen sie auch einen Messergriff. Aber Typen wie Schenken schlagen auch mit dem Stöpsel der Essigkaraffe, du weißt, mitten auf jedem Tisch steht so eine kleine Essigkaraffe aus Metall. Die ist spitz geschliffen und die nehmen den Griff in die Hand und schlagen mit der Spitze auf den Kopf. Das gibt dann eine blutende Wunde und du musst zur

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