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Evil - Das Böse

Evil - Das Böse

Titel: Evil - Das Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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denken, um irgendwo zu sein, ohne irgendwo zu sein. Beim Schwimmen im Sportpalast hatte er nicht mit der Clique zusammen sein müssen - mit ihnen abends zusammen zu sein war durchaus nicht dasselbe wie tagsüber -, wenn er schwamm, war er nicht in der Nähe seines Vaters, und wenn er abends nach Hause kam und rote Augen hatte wie ein Kaninchen von all dem Chlor, das sein Gesicht gestreift hatte, wenn er die Welt in einem Schimmer mit Lichthöfen um jede Lampe sah, dann hatte er doch nur Sport getrieben, und wer Sport getrieben hatte, hatte nichts getan, was Prügel verdiente, von achttausend Metern Bein-und Armarbeit und Freistil schlief man traumlos ohne hämmerndes Herz, ohne Hass, so als sei die Welt ein einziger Strom aus hellgrünem, vorüberschäumendem Wasser, und alles, was man im Kopf behalten musste, waren die Wenden und der schwarze Kachelrand am Boden des Beckens.
    Nun aber, da er seine ersten Kilometer auf dieser Fünfundzwanzig-Meter-Bahn schwamm, wo man besonders viel gutmachte, wenn man die neue Schleuderwende aus den USA machte, die der Vereinstrainer, kurz bevor Erik verschwunden war, eingeführt hatte - nun war das wie Musik, wie einer der Walzer der Mutter auf dem schwarzen Flügel, wie Chopin oder eine Sonate von Beethoven, als leiste das Wasser keinerlei Widerstand, als schwimme er ohne Anstrengung und sehe die ganze Zeit die großen Eichen inmitten des neuen Schulgeländes vorübergleiten, er sah Pierres Gesicht mit der Brille und das der Pazifistin mit der Schneckenfrisur vorübergleiten, als spiele er selbst, als hätte er seit seiner Kindheit weitergespielt, als der Vater ihm die Tonleitern hatte einprügeln wollen, als könne er spielen wie die Mutter; und sein Körper gehorchte dem leisesten Wink und hätte gehorsam bis weit über die eigentliche Müdigkeit hinaus weitergemacht, nachdem er sich die Müdigkeit erschwommen hatte, die er brauchte, um so schlafen zu können, dass er am nächsten Tag gewinnen würde. Er war Erik, Mitglied der Schulschwimmmannschaft. Nur das, keine Clique, keine Gewalt, nicht einmal Lehrer, die schlugen. Er war Erik der Schwimmer und nur das, und am nächsten Tag würde er Erik der Läufer werden und danach nur Läufer und Schwimmer sein und niemand würde etwas anderes wissen und niemand würde die Narben entdecken, die weißen Narben auf seinen Fingerknöcheln.
    Der Sporttag war organisiert wie ein kleineres Militärmanöver. Alle Schüler sollten am Vormittag in allen Sparten antreten, nachmittags folgten dann die Endkämpfe. Die sechs Besten jeder Sparte nahmen am Finale teil. Zu Eriks Überraschung traten Mittelschule und Gymnasium nicht getrennt an, da die älteren Schüler die jüngeren besiegen sollten. Erik erhielt eine schwer verständliche Erklärung, die darauf hinauslief, dass das alles mit dem Geist von Stjärnsberg zusammenhinge: zu den Prinzipien der Kameradenerziehung gehörte es, dass die Jüngeren wussten, wo ihr Platz war.
    Das Qualifikationssystem diente offenbar auch nur den Besten, also den Gymnasiasten. Denn wer nach nur einem Versuch beim Weitsprung bereits ins Finale kam, war natürlich im Vorteil gegenüber einem jüngeren Konkurrenten, der alle seine sechs Versuche machen musste, um einen Platz im Finale zu ergattern.
    Das Ganze erforderte sorgfältige Berechnung. Man musste sich durch die Sparten hindurchschlängeln, in denen man keine Chance hatte. Also wartete Erik beim Hochsprung, bis er sich nach nur drei Versuchen aus dem Wettbewerb verabschieden konnte, und beim Stabhochsprung machte er es genauso. Beim Speerwerfen beging er drei absichtliche Patzer und lieferte drei lahme Würfe, um seinen Arm für Diskus und Kugel zu schonen. Beim Weitsprung machte er es ebenso, beim Dreisprung folgten dann wieder ein Patzer und ein leichter Sprint in die Sandgrube.
    Fünftausend Meter wurden nur im Finale gelaufen, aber es durften nur die antreten, die in einer anderen Sparte in den Endkampf gekommen waren. Das Kniffligste waren die Sprintdisziplinen, denn dort konnte man nur mir voller oder fast voller Kraft laufen. Danach folgten die ersten Vorläufe über die Mittelstrecken, eingeteilt in Mittelschule und Gymnasium, weshalb er dort Kraft sparen und trotzdem die Zwischenläufe erreichen konnte.
    Um insgesamt einen erfolgreichen Wettkampf zu absolvieren, musste man genau auswählen. Für Erik bedeutete das die Entscheidung zwischen hundert und zweihundert Metern. Er beschloss, das Finale über hundert Meter zu erreichen, und erschlenderte

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