Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Evil - Das Böse

Evil - Das Böse

Titel: Evil - Das Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
Schulschwester und sie dir nähen lassen. Typen wie von Schenken spinnen. Außerdem ist er mein Tischmajor, und wenn ich das mit den Schuhen verweigert hätte, dann hätte das nicht nur einen Samstagsonntag gebracht, sondern bei nächster Gelegenheit noch einen Ein-Stich-Schlag.«
    Erik stellte keine weiteren Fragen und hörte nach einer Weile, dass Pierre eingeschlafen war. Wenn Schenken Pierre einen solchen Schlag verpasste, was sollte Erik dann tun? Das einzig Richtige wäre gewesen, den Stöpsel von der eigenen Karaffe zu nehmen, von hinten an Schenken heranzutreten und ihm selber ein sauberes Loch zu verpassen, und zwar möglichst noch ehe er Pierre schlagen konnte. Nein, es war unmöglich zu sagen, wozu das nun wieder führen würde, vielleicht würde Schenken sich dann moralisch gezwungen sehen, Pierre um jeden Preis fertig zu machen. Um zu zeigen, dass er sich von einem Neuen und Frechen nicht so leicht ins Bockshorn jagen ließ. Wenn man Schenken beiseite nehmen könnte, wenn niemand es hörte, wenn man ihm klarmachen könnte, dass er Prügel kassieren würde, die er sich nicht mal vorstellen konnte, wenn er Pierre auch nur ein Haar krümmte - würde das helfen? Nein, auch nicht; eine solche Drohung war nur wirksam, wenn der Bedrohte wirklich begriff, dass sie auch in die Tat umgesetzt werden konnte. Auf der Lehranstalt war das kein Problem gewesen, aber hier kannten sie ihn nicht und sie sollten ihn auch nicht kennen. Das Beste wäre es, Gewalt zu vermeiden. Wenn er einen von diesen Typen fertig machte, würde das nur eine endlose Kette von Prügeleien nach sich ziehen, bis die anderen am Ende doch auf irgendeine Weise gewonnen hätten.
    Wie viele Samstagsonntage gab es in einem Schulhalbjahr? Ungefähr fünfzehn. Wenn man also fünfzehnmal einen solchen Befehl verweigerte, hatte man dann Ruhe? Denn das Schuhputzen heute hätte todsicher zu neuen Befehlen derselben Art geführt, bis entweder er oder die anderen aufgegeben hätten.
    Dem Rat musste er allerdings gehorchen, denn wer dem Rat nicht gehorchte oder Ratsmitglieder schlug, flog von der Schule. Und von Stjärnsberg zu fliegen, würde das Ende aller Ausbildung für alle Zukunft bedeuten. Er musste zwei Jahre durchhalten, damit er in Stockholm ein Gymnasium besuchen konnte, also musste er dem Rat zwei Jahre lang gehorchen. Sollte er da nicht lieber gleich aufgeben und die Sache aus der Welt schaffen? Wo er nicht einmal Pierre würde verteidigen können?
    Es dämmerte schon, als er in dem schweißnassen Bett einschlief; das Bettzeug hatte sich fast zu Stricken zusammengerollt. Und am nächsten Tag sollte er Pierre gegenüber schamrot werden.
    In der ersten Stunde des Morgens hatte er Geschichte, und der Geschichtslehrer, der älteste Lehrer der Schule, redete über die Völkerwanderungszeit, ein nicht enden wollender Sermon. Die germanischen Stämme seien kreuz und quer durch Europa gewandert, gewisse slawische Stämme seien von Osten gekommen, und der Unterschied zwischen diesen verschiedenen Völkerschaften bestehe darin, dass die Germanen stärker und besser gewesen seien, was bis in die moderne Zeit hinein Spuren hinterlassen habe, man könne diese Spuren durchaus noch heutzutage bei den diversen europäischen Rassentypen beobachten. Sogar in diesem Klassenzimmer ließe sich das mit Leichtigkeit illustrieren.
    »Erik, komm doch mal her und stell dich so hin, dass alle dich deutlich sehen können«, sagte der Alte. Dann griff er zu seinem Zeigestock und ließ ihn über Eriks Körper wandern, als handele es sich um das Schaubild eines Menschenaffen oder einen Längsschnitt durch die inneren Organe.
    »Wenn ihr bitte hersehen wollt. Wir können mit blauen Augen und einem festen Blick beginnen.« (Zeigestock) »Dann eine gerade Nase, dreh der Klasse mal dein Profil zu, so, ja. Kräftige Kinnpartie und breite Wangenknochen, eine gleichmäßige Harmonie des Gesichts, nicht hohe Jochbeine wie zum Beispiel bei den Finnen, Lappen und bestimmten Slawen. Kräftige Schulterpartie und gerade Schultern. Seht euch die gut entwickelte Armmuskulatur an.« (Zeigestock) »Kräftiger Brustkorb und gut entwickelte Bauchmuskulatur, die Hüften deutlich schmaler als der Brustkorb. Dann die Oberschenkelmuskeln, ihr seht, wie sie sich hier sozusagen ausdehnen und breiter werden, wenn wir sie mit der Taille vergleichen. Das sehen wir bei manchen Reitervölkern, so dürften viele von den Kriegern Karls XII. ausgesehen haben. Die Waden müssen richtig geschwungen sein …«

Weitere Kostenlose Bücher