Evil - Das Böse
zeigte ihm einen Platz ganz hinten an einem der zwanzig langen Tische. An jedem Tisch saßen zwanzig Schüler in einer bestimmten Rangordnung. Ganz oben saß der Tischmajor, dann kam der Vize-Tischmajor, wie er erfuhr. Danach die Gymnasiasten in einer Reihenfolge, die etwas damit zu tun hatte, wie sie bei privaten Essen platziert worden wären, zuerst der Hochadel oder die sehr Reichen, dann der niedere Adel und die weniger Reichen. Ganz unten am Tisch wurden die Mittelschüler nach ungefähr demselben Schema eingeteilt. Neue saßen immer ganz unten. Das Essen wurde nach der Rangordnung von finnischen Dienstmädchen aus großen Edelstahlschüsseln serviert. Jede Mahlzeit wurde mit einem Tischgebet begonnen und beendet.
Nach dem Essen gab es zwei Stunden für Sport und Studien, dann mussten die Mittelschüler ihre Zimmer aufsuchen. Pierre war nicht auf dem Zimmer, als Erik dorthin kam, weshalb Erik sich aufs Bett legte und eine Weile lang ganz einfach frei war.
Am nächsten Tag kamen wichtige Wettkämpfe. Er musste lange genug schlafen, damit er richtig ausgeruht war, denn er wollte in so vielen Sparten wie möglich gewinnen. Es wäre von großer Bedeutung für ihn, wenn er auf diese Weise bekannt werden könnte, es würde perfekt in sein neues Leben passen. Aber so wie sein Puls vor Freude und Erregung schlug, würde er wohl nur mit Mühe schlafen können. Da ging er besser in die Schwimmhalle und brachte zwanzig oder dreißig Bahnen in lockerem Tempo hinter sich. Danach wäre er müde genug, würde gut schlafen und wäre am nächsten Tag ausgeruht.
Als er mit dem Frotteehandtuch über den Schultern die Schwimmhalle betrat, war es dort fast leer. Die Wasseroberfläche lag grün und still. Beim Sprungturm beugte sich eine Gruppe von Jungen über einen Trainingsplan.
»Hallo«, sagte Erik, »man kann hier doch ein paar Bahnen schwimmen, oder?«
Die anderen lachten ihn aus.
»Ein paar Bahnen schwimmen«, äffte der Größte ihn nach. »Du bist neu hier, was?«
»Ja, heute gekommen.« »Trotzdem hast du dich an die Regeln zu halten. Abends ist die Schwimmhalle für Abiturienten, Ratsmitglieder und die Schulmannschaft reserviert, also verzieh dich!«
»Ich dachte nur …«
»Leute, die neu und frech sind, denken besser nicht, verzieh dich!«
Die anderen kehrten ihm den Rücken zu, und er spürte, wie Zorn in ihm aufstieg, genau so, wie er es um jeden Preis hatte verhindern wollen. Er zögerte und blieb stehen, bis er ein weiteres Mal entdeckt wurde.
»Haben wir nicht gesagt, dass du dich verziehen sollst?«
»Doch«, sagte er. »Aber das hab ich nicht vor.«
Alle schwiegen. Oh verdammt, jetzt hatte er den ersten Stein geworfen. Jetzt konnte er sich wirklich nicht mehr verziehen.
»In welcher Zeit muss man fünfzig Meter Freistil schwimmen, um in die Schulmannschaft aufgenommen zu werden?«, fragte er (die andere Alternative, um sich aus dieser Klemme zu helfen, hätte genau zu dem geführt, was nicht passieren durfte).
»Ach«, sagte ein etwas kleinerer Abiturient. »Du schwimmst?«
»Ja, vier Jahre beim SKK in Stockholm. Also, welche Zeit auf fünfzig Freistil?«
»Schaffst du’s unter einunddreißig Sekunden?«
»Wenn du eine Stoppuhr hast, mach ich’s unter neunundzwanzig.«
Er hatte sich zwar nicht aufgewärmt, aber es müsste gehen, das hier war eine Fünfundzwanzig-Meter-Bahn und man machte bei der Wende mindestens eine Sekunde gut. Die anderen wirkten nicht mehr feindselig.
»Okay«, sagte der Größte. »Ich hab eine Uhr. Der Schulrekord steht auf 29,6.«
Erik kreiste die Arme in weiten Bogenbewegungen über dem Kopf, um seine Lunge mit Sauerstoff zu füllen. Das hier musste klappen. Dann stieg er auf den Startblock. Und jetzt Scheiße, Vater, dachte er, als er loslegte, jetzt Scheiße, Vater.
Er schaffte es in 29,1.
Die anderen zogen ihn aus dem Becken und klopften ihm auf die Schulter. Er bat um Verzeihung, weil er gesagt hatte, dass er es unter neunundzwanzig schaffen werde, aber er sei eben nicht aufgewärmt gewesen und … Die anderen winkten ab und sagten, ab sofort gehöre er zur Schulmannschaft und könne trainieren, wann immer er wolle. Er stellte sich allen der Reihe nach vor. Alle schüttelten ihm die Hand und lächelten.
Danach schwamm er seine Bahnen im Freudenrausch. Das hellgrüne Wasser schäumte wie immer um seine Augen, aber das hier war nicht wie immer, es war nicht wie die vielen Abende des letzten Jahres im Stockholmer Sportpalast, wo er geschwommen war, um nicht zu
Weitere Kostenlose Bücher