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Evil - Das Böse

Evil - Das Böse

Titel: Evil - Das Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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unterdrückte den Reflex zurückzuschlagen, und blieb stehen, damit die beiden weitergehen konnten, ohne dass es Ärger gab. Doch als sie sich umdrehten, sah er, dass sie Ärger wollten.
    »Schlägst du jetzt auch schon um dich, du frecher kleiner Arsch«, sagte der eine.
    »Nein«, sagte Erik. »Ihr habt mich gestoßen.«
    »Du hast uns um Entschuldigung zu bitten«, sagte der andere.
    Alle, die gerade die Treppe hoch wollten, blieben jetzt stehen und verstummten erwartungsvoll. Erik musterte die beiden. Keiner war Ratsmitglied, also brauchte er ihre Befehle nicht zu befolgen und konnte auch nicht zu Strafarbeit verurteilt werden, wenn er sich weigerte, um Entschuldigung zu bitten. Aber sie wollten auch gar nicht, dass er um Entschuldigung bat.
    »Ihr habt mich gestoßen, also solltet ihr um Entschuldigung bitten, falls überhaupt jemand«, sagte er und tat so, als wolle er sich an ihnen vorbeidrängen und zum Speisesaal weitergehen. Da packte einer der beiden seinen Arm, schlug aber seltsamerweise nicht zu. Aus dem gespannten Schweigen um sie herum wurde deutlich, dass sich hier irgendetwas zusammenbraute.
    »Du kannst dich als gefordert betrachten. Wir sehen uns um acht im Karo, genau eine Stunde nach dem Essen«, sagte der größere der beiden.
    Die Zuhörer jubelten und lachten.
    »Hast du das kapiert, kleine Ratte, um acht Uhr treffen wir drei uns im Karo«, sagte der andere beinahe feierlich.
    »Sicher«, sagte Erik, drängte sich weiter die Treppe zum Speisesaal hinauf und nahm seinen Platz ganz unten am dritten Tisch ein.
    Beim Essen herrschte eine seltsame Stimmung. Am Tisch ganz hinten wurde ein Lied gesungen, von dem er nur die Wörter Ratte, acht Uhr, im Karo und k.o. verstand.
    Er saß zusammen mit vier anderen Mittelschülern, aber keiner war aus seiner Klasse. Sie tuschelten aufgeregt und schielten zu ihm hin, dann fragte einer, ob er derjenige sei, der ins Karo müsse.
    »Mm«, sagte er. »Zwei Typen aus der Dritten haben mich auf der Treppe angestoßen und dann für acht Uhr ins Karo bestellt. Könnt ihr mir erklären, was es mit diesem Karo auf sich hat? Ich bin neu hier, ich habe keine Ahnung.«
    Sie erklärten es ihm eifrig und wild durcheinander.
    Das Karo war eine Stelle hinter der Küche, wo abgerechnet wurde. Wenn zwei Typen sich unbedingt prügeln wollten, dann konnten sie dorthin gehen, denn das Karo war der einzige Ort, wo auch andere als Ratsmitglieder und Abiturienten sich schlagen durften. Aber die aus der Dritten, die keine Ratis waren, pflegten den Brauch, Neue und Freche im Karo fertig zu machen. Das lief so, dass der Neue und Freche gefordert wurde, dann wurde ein Zeitpunkt genannt, normalerweise acht Uhr nach dem Essen. Dann wurde er geschlagen, bis er auf den Knien aus dem Karo kroch und um Gnade bettelte. Im Karo war alles erlaubt, und immer traten zwei Gymnasiasten gegen einen Mittelschüler an. Da einer aus der Mittelschule keine Chance gegen zwei aus der Dritten hatte, endete es immer auf dieselbe Weise. Die Frage war nur, wie lange der Neue und Freche drinnen durchhielt, bis er hinauskroch. Manche krochen gleich, aber dann wurde man noch monatelang ausgebuht und angemacht. Vor einigen Jahren hatte ein Typ, der jetzt in der zweiten Gymnasialklasse war, durchgehalten, bis er nichts mehr sehen konnte, so dick waren seine Augen geschwollen. Das wurde respektiert, so einer konnte was wegstecken.
    »Was passiert, wenn man nicht antritt?«, fragte Erik.
    Die vier verzogen spöttisch das Gesicht. Man musste antreten. Egal, wie viel Prügel das bedeuten mochte, antreten musste man. Sonst wurde man für den Rest der Schulzeit Ratte genannt. Alle nannten einen dann Ratte, am Ende machten das sogar die Lehrer. Ein Typ aus der Abiklasse hieß noch immer Ratte, obwohl er damals, als er sich geweigert hatte, noch Mittelschüler gewesen war. Aber er war die einzige Ratte auf der ganzen Penne.
    »Na gut, aber man darf zurückschlagen?«
    Ja, sicher durfte man. Im Karo war alles erlaubt, da gab es keine Regeln. Und so lange die Leute im Karo blieben, durfte niemand aus dem Publikum - fast die ganze Schule kam zuschauen, wenn ein Neuer und Frecher fertig gemacht wurde -, es durfte also sonst keiner eingreifen. Niemand durfte auch nur einen Fuß ins Karo setzen, solange der Kampf andauerte, egal, was passierte.
    »Aber dann können die Typen sich doch gegenseitig ernsthaft verletzen?«
    Sicher, das war klar, hihi. Er würde danach im Gesicht nicht gerade bildschön aussehen. Die Schulschwester

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