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Evil - Das Böse

Evil - Das Böse

Titel: Evil - Das Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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wurde immer schon vorher informiert, deshalb saß sie im Krankenzimmer, für den Fall, dass Wunden genäht werden mussten.
    »Die Lehrer greifen also auch nicht ein?«
    Aber nicht doch. Wenn sich im Speisesaal die Nachricht verbreitete, dass ein Neuer und Frecher im Karo zusammengefaltet werden sollte, dann gingen alle Lehrer eilig nach Hause, schlossen die Türen und drehten das Radio laut. Die durften sich nun wirklich nicht einmischen, das wäre ein glatter Verstoß gegen die Schultradition der Kameradenerziehung.
    »Hat schon jemals ein Mittelschüler so einen Kampf gewonnen?«
    Nein, natürlich nicht. Die aus der dritten Gymnasialklasse waren doch viel stärker und außerdem zwei gegen einen. Es ging nicht darum zu gewinnen, es ging darum, genug Prügel einzustecken, dass man für die restliche Schulzeit nicht Ratte genannt wurde.
    »Und wenn jemand so schwer verletzt wird, dass die Schwester ihn nicht zusammenflicken kann?«
    Ja, das war schon vorgekommen, dass jemand mit dem Taxi in eins der Krankenhäuser in der Umgebung gebracht werden musste. Und manchmal waren hinterher noch Zähne und so was zu reparieren. Aber die Schwester war sehr geschickt, wenn es ums Nähen ging, sie erledigte das meiste selber.
    »Was passiert, wenn man nicht rauskriecht? Ich meine, wenn die schlagen, bis man das Bewusstsein verliert, oder wenn man sich weigert, rauszukriechen?«
    Auf diese Frage gab es keine klare Antwort. Auch das war noch nie vorgekommen. Eriks Herausforderer hatten mit dem Spaß schon in der zweiten Gymnasialklasse angefangen und bisher an die sieben oder acht Leute fertig gemacht. Sie schlugen abwechselnd zu, bis alles vorüber war.
    »Abwechselnd? Sie greifen nicht gleichzeitig an?«
    Nein, sie wechselten sich ab. Sie fingen locker an und steigerten nach und nach die Wucht ihrer Schläge. Das fanden sie cool und das Publikum sollte ja auch was von der Sache haben. Erst gegen Ende machten sie dann wirklich Ernst.
    Erik aß schweigend weiter und überdachte die Lage. Nicht anzutreten, würde ihm für zwei Jahre allgemeine Verachtung eintragen und dazu diesen widerlichen Spitznamen, der an ihm kleben bliebe, egal, wodurch er sich davon zu befreien versuchte. Er musste also antreten.
    Nach Tischgebet und Abmarsch aus dem Speisesaal suchte er sich Pierre.
    »Komm, du musst mir das Karo zeigen.«
    »Verdammt, Erik, ich hab mir schon gedacht, dass von dir die Rede war. Du hättest mal hören sollen, wie die an meinem Tisch geredet haben. Das ist zu übel, also, dieses System …«
    »Ja, ja, aber ich brauche in der nächsten halben Stunde deine Hilfe, ich brauch sie wirklich, Pierre, also komm jetzt mit.«
    Sie gingen hinter die Küche. Auf dem Hof fanden sie die eingegrabenen Öltanks, die mit einer Zementdecke von fünf mal sechs Metern bedeckt waren. Das war das Karo.
    Auf der einen Seite des Karos führte ein Kiesplatz zum Speisesaal-Gebäude. Das war das Parkett, dort würden der Rat und die Abiklasse stehen. Darüber befand sich eine Reihe von Fenstern. Dort wohnten die finnischen Dienstmädchen, die immer im Fenster hingen und den Unterlegenen anfeuerten. Auf der anderen Seite des Karos befand sich ein etwa zwanzig Meter langer, mit Gras bewachsener Hang. Dort versammelte sich die Mittelschule. Die Gymnasiasten standen auf gleicher Höhe mit dem Karo, auf der Seite des einzigen Zugangs. Man musste auf dem Weg zum Karo also an den Gymnasiasten vorbei.
    Erik stieg auf das Karo und drehte dort einige Runden. Der Boden war stabil und eben, aber in einer Ecke gab es einen runden Zementdeckel mit zwei aufragenden Stahlgriffen, offenbar wurde dieser Deckel beim Tankfüllen gehoben. Es war eine gefährliche Ecke, man konnte leicht über den Deckel und die Griffe stolpern. Erik leckte sich über die Hand, bückte sich und strich über die Unterlage. Die war hart und rau, aber etliche lose Zementkörner blieben an seiner Handfläche hängen. Es war eine überaus unangenehme Unterlage, Schürfwunden an Ellbogen und Wangen würden sich heftig entzünden und wochenlang Ärger machen.
    »Okay, Pierre. Das weiß ich jetzt. Jetzt gehen wir zurück aufs Zimmer und du erzählst mir, wie das hier normalerweise abläuft.«
    Pierre weinte fast, als sie zusammen zu ihrem Zimmer in Kassiopeia zurückgingen.
    »Verdammt, Erik, du hast ja keine Ahnung, was die vorhaben.«
    »Doch, eine Ahnung schon, aber ich weiß es nicht. Du musst mir erzählen, wie diese beiden Ärsche sich prügeln, du musst sie doch schon mal gesehen

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