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Evil - Das Böse

Evil - Das Böse

Titel: Evil - Das Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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stellten fest, man musste Tannennadeln kauen, ganz junge, so jung wie überhaupt möglich, dann verschwand jede Spur des Vademecums und man hatte nur noch einen undefinierbaren Mundgeruch. Vorher hatte das Vademecum jede Spur von Tabakgeruch ausgelöscht. Es hatte sie leider eine Verurteilung wegen Rauchens gekostet, bis sie auf den Trick gekommen waren, denn sie würden zweifellos für schuldig befunden werden.
    Erik wurde jeden Tag drei-oder viermal durchsucht. Nicht so sehr, weil die Ratis damit rechneten, dass er Zigaretten bei sich hatte, sondern, um ihn zum Gehorsam zu zwingen. Vermutlich nahmen sie an, er werde irgendwann die Geduld verlieren und die Durchsuchung verweigern. Das glaubte zumindest Pierre. Danach konnten sie ihn noch einmal wegen Rauchens verknacken, und damit würde die Lage für Erik schon nach weniger als einem halben Schuljahr kritisch aussehen.
    Das Leichteste wäre es natürlich gewesen, überhaupt nicht zu rauchen. Man schaffte ja doch nur zwei Zigaretten pro Tag, weil es so umständlich war, sich zum Versteck der Plastiktüte zu schleichen. Aber über dieses Thema sprachen sie nicht weiter. Sie wollten ihre beiden Zigaretten pro Tag rauchen, mehr aus Prinzip als aus einem dringenden Bedürfnis heraus. Außerdem trainierte Erik hart für die Schulmeisterschaften im Schwimmen, die rasch näher rückten.
    Oder genauer gesagt, er trainierte jeden Abend in der Schwimmhalle, um jeden Abend zwei Stunden weit weg von den anderen zu sein. Im Wasser gab es keine Gewalt, keine Ratis, kein Risiko, in einen Streit hineingezogen zu werden. Aber dort gab es auch keine Möglichkeit, sich vor den Leuten aus der eigenen Klasse oder der Mittelschule zu verstecken. Er versuchte, sich bedeckt zu halten.
    Sich bedeckt zu halten bedeutete, niemals auch nur mit einem Wort seine Überlegenheit im Sport oder im Kämpfen anklingen zu lassen, nicht zu prahlen, nicht zu sagen, natürlich werde er über diese oder jene Strecke bei den Schwimmwettkämpfen gewinnen, obwohl das so selbstverständlich war, dass es schon wieder peinlich werden würde. Wenn seine Klassenkameraden ihn fragten, antwortete er, man werde sehen, es werde hart werden, er werde sich alle Mühe geben, und das alles war eigentlich gelogen.
    Es fiel ihm schwer, seine neue Klasse zu durchschauen. Hier galten andere soziale Regeln als in der Lehranstalt, und es dauerte seine Zeit, die neuen Muster zu verstehen. Pierre war in so gut wie allen Fächern der Klassenbeste, danach kam niemand und wieder niemand und dann möglicherweise Erik. Einige waren geradezu dumm und hätten einiges durchmachen müssen, wenn sie auf Eriks alte Schule gegangen wären. Aber es schien ihnen nichts auszumachen, dass sie fast nie eine Frage beantworten konnten. Wenn ein Lehrer sie ansprach und sie die Antwort nicht wussten, lächelten sie und rissen einen Witz, dann wurde die Frage freundlich an den Nächsten weitergereicht. Es schien ihnen schnurzegal zu sein, dass sie von nichts eine Ahnung hatten. Jedenfalls war das bei fünf oder sechs von ihnen der Fall. Sie waren außerdem die Ältesten in der Klasse und einige von ihnen würden bald rauchen dürfen, offenbar machten sie jede Klasse mehrmals durch.
    Höken, der Habicht, gehörte zu ihnen: Sebastian Lilliehöök, der aus absolut unerfindlichen Gründen damit prahlte, dass seine Familie mit einer der niedrigsten Nummern im schwedischen Adelskalender und im Haus der Ritterschaft verzeichnet stand. Sein Vater hatte zwar nicht sehr viel Geld und war weder Graf noch Baron, aber er fand es einfach besser, einer Familie anzugehören, die schon in grauer Vorzeit das Adelsprädikat erhalten hatte und nicht erst gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts, als eigentlich nur noch neureiche Räuber aus den Kriegen jener Zeit nachgerückt waren.
    Von Rosenschnaabel, Gustaf, war Graf und Erbe eines Fideikomisses. Erik hatte dieses seltsame Wort noch nie gehört, lernte aber bald, dass es bedeutete, dass Gurra einige Schlösser in Schonen gehörten, die er nach dem Tod seines Vaters erben würde. Gurras Geschwister würden dagegen rein gar nichts abbekommen, da alles an Gurra, den Ältesten, fallen musste. Sein Vater war schon in den Fünfzigern, also würde Gurra die Schlösser einsacken, wenn er noch einigermaßen jung wäre. Er musste nur noch Abitur machen und eine kluge Ehe eingehen, das war alles.
    Erich Lewenheusen (Erich wurde Erik ausgesprochen) war ungefähr in der gleichen Lage wie Gurra. Erich war Baron. Höken pöbelte ihn

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