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Evil - Das Böse

Evil - Das Böse

Titel: Evil - Das Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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unterdrückte unterwegs drei oder vier schlechte Ideen.
    »Hör sofort damit auf«, sagte er, ohne das Drohende in seiner Stimme zu übertreiben.
    »Und was, wenn nicht?«, fragte der offenbar nicht sehr urteilsfähige Arne.
    Die selbstverständliche Antwort wäre gewesen: »Dann schlag ich dir innerhalb von fünf Sekunden die linke Seite deiner blöden Fresse ein.«
    Aber Erik riss sich zusammen und sagte eher obenhin, dass Arne, wenn er unbedingt an Speckringen zupfen wolle, es doch vielleicht bei ihm versuchen könne, und damit war die Sache aus der Welt. Erik war froh darüber. Er wollte in seiner Klasse keine Gewalt anwenden.
    Aber seine Klassenkameraden waren komisch. Sie erklärten ihm oft, wenn auch verblümt und vorsichtig, um ihn nicht zu provozieren, dass man nicht so frech sein dürfe. Regeln müssten schließlich eingehalten werden. Man müsse lernen, Befehle zu befolgen. Wie sollte man sonst selbst Befehle erteilen können, wenn man dann Abiturient, Reserveoffizier oder Firmenchef wurde?
    »Das Land steht aufs Gesetz gebaut«, zitierten sie aus der Nationalhymne, es war eins der sehr wenigen Zitate, die sie überhaupt kannten.
    Kein Wunder, dass sie nicht mit ihm über die Ereignisse im Karo sprechen wollten. Nein, irgendwie war es kein Wunder. Natürlich fragten sie sich, wie jemand von der Mittelschule zum ersten Mal das Karo betreten und den Kampf gewinnen konnte, aber dann war das Ganze so scheußlich gewesen, dass es vielleicht auch scheußlich war, danach zu fragen? Erik hatte eine leise Ahnung, dass sie die Geschichte eher peinlich fanden, wie einen Verstoß gegen die Traditionen oder einen lauten Rülpser am Esstisch. Wenn es so war, fand er es krank oder jedenfalls feige oder zumindest albern, dann war es ungefähr wie bei den Leuten, die immer für genau die Mannschaft waren, die bei der schwedischen Meisterschaft vorn lag, statt zu ihrer eigenen zu halten oder wenigstens zu der, die ein Spiel zu verlieren drohte. Aber das taten solche Leute nicht. Sie hielten zu den Überlegenen, auch wenn sie selbst Unterlegene waren.
    »Darin zeigt sich nur ihre fehlende Moral«, erklärte Pierre ein wenig wichtigtuerisch und rückte seine Brille gerade.
    Erik war sich nicht sicher, ob er verstanden hatte, wie Pierre das meinte. Und wenn er es verstanden hatte, war er nicht sicher, ob Pierre Recht hatte. Vielleicht rechneten die Adligen in der Klasse einfach damit, eines schönen Tages selbst im Rat zu sitzen (die Mehrheit der Ratis war adlig). Oder zeigte sich eben darin diese »fehlende Moral«?
    Erik schaffte die erste Mathearbeit mit Mühe und Not. Er war trotzdem zufrieden, denn er hatte schon lange keine Mathearbeit mehr abliefern können, doch Pierre setzte sich eine halbe Stunde zu ihm und bewies mit ein paar raschen Strichen seines Füllfederhalters und in seiner schönen Handschrift, dass Erik nur zwei Flüchtigkeitsfehler gemacht hatte und eine dritte Aufgabe durchaus zu schaffen gewesen wäre, denn genau diese Art von schlichten Dreisatzaufgaben habe er ihm noch am Tag vor der Arbeit regelrecht eingebimst. Erik erwiderte, er sei froh, in den drei Fächern, in denen er hinterherhinkte, überhaupt wieder Anschluss zu haben. Später im Frühling würde er dann vielleicht versuchen, auf bessere Noten zu kommen.
    Nun rückte erst mal die Schwimmmeisterschaft näher und Erik graute davor. Die Sache war ihm unangenehm. Er hatte vier Jahre mit dem Schwimmverein an Wettbewerben teilgenommen, und es war nicht richtig, dass er hier an der Schule ohne richtige Gegner antrat. Seine alten Trainingskumpels würden lachen, wenn sie es wüssten, und sein Trainer ironisch bittere Kommentare über die Größe seiner Ambitionen beisteuern.
    Es war kein ehrlicher Wettkampf.
    Außerdem lag es auf der Hand, dass er sich durch Siege im Schwimmen nur noch unbeliebter machen würde. Auf jeder anderen Schule in der normalen Welt, in der normale Regeln für einen Wettkampf galten, würden die Mittelschüler es toll finden, wenn einer von ihnen die Gymnasiasten schlug. Aber hier war fast das Gegenteil der Fall. Das war unangenehm und würde ihm garantiert neuen Ärger einbringen.
    Unten in der Schwimmhalle hing eine Schiefertafel, auf der die Schulrekorde über die verschiedenen Distanzen verzeichnet waren. Er war mehr als eine Sekunde besser über fünfzig Meter, mehr als sechs Sekunden über hundert, und die verzeichnete Dreihundert-Meter-Zeit würde er um eine knappe halbe Minute unterbieten, da musste er es nicht mal

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