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Evil - Das Böse

Evil - Das Böse

Titel: Evil - Das Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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oft an, weil Lewenheusens nicht im Haus der Ritterschaft aufgeführt waren, genau genommen könne man sie gar nicht als adelig bezeichnen, schon gar nicht als Barone. Trotzdem würde Erich Schlösser und eine Kunststofffabrik erben.
    Höken, Gurra und Erich hielten zusammen, sie bildeten eine Clique für sich. Sie waren in so gut wie allen Fächern die Schlechtesten in der Klasse. Höken war nicht schlecht im Fußball, im Übrigen widmete dieser Dreibund sich seltsamen Sportarten wie Schießen, Fechten und Reiten. Sie hatten alle drei auf benachbarten Schlössern Pferde untergestellt. Erich trug oft Reitstiefel und hatte dann eine Reitgerte unter dem Arm klemmen, mit der er sich während ihrer Konversation gegen den Stiefelschaft schlug, wenn er irgendeine seiner Aussagen bekräftigen wollte. Denn diese drei Edelmänner redeten nicht, sie pflegten Konversation.
    Die andere feste Clique der Klasse konnte keinen Adligen aufweisen. Dafür waren ihre Mitglieder mindestens so reich wie die Aristokraten, wenn nicht noch reicher. Einer besaß Maschinenfabriken, ein anderer Schwedens größte Textilfabrik, ein dritter hatte einen Vater, der Geschäftsführer bei Atlas Copco war, und ein vierter besaß fünfundzwanzig Prozent von Mercedes Benz Schweden.
    Die Reichen waren einwandfrei weniger blöd als die Adligen. Zwischen den beiden Cliquen bestand eine Art freundliche Rivalität, die sich darin zeigte, dass die Adligen die Reichen als neureiche Spießer bezeichneten, während die Reichen die Adligen degeneriert nannten. In beiden Behauptungen lag möglicherweise ein wahrer Kern.
    Sie waren die Oberklasse in der Klasse. Die Väter der Übrigen waren Ärzte und Architekten und Richter und Kaufleute, die mehr oder weniger unklaren Geschäften nachgingen. In der Unterklasse gab es keine besonderen festen Bindungen, da hatte man einfach nur wenig miteinander zu tun.
    Die Klasse war ziemlich klein, wenn man sie mit einer Klasse in Stockholm verglich, und die Lehrer hatten für den Einzelnen mehr Zeit. Große Teile der Stunden verbrachten sie über den Adel gebeugt, bei dem Versuch, mit einer Mischung aus Resignation und Verzweiflung zum soundsovielten Mal zu erklären, dass Pi 3,14 ist und ein Radius nicht dasselbe wie ein Kreisumfang, dass Luft kein Element ist, Zeus und Jupiter aber fast dasselbe, dass Istanbul keinesfalls die Hauptstadt von Ägypten ist und das Parlament nicht dasselbe wie die Regierung (auch dass es keine politische Partei namens »Rotgardisten« gab und deshalb die »Rotgardisten« auch nicht die Regierungsmacht im Königreich Schweden innehaben konnten) und dass es, bitte, seit geraumer Zeit schon nicht mehr korrekt war, Juden als schlechte Soldaten zu bezeichnen.
    Aber auch, wenn die Stunden ungeheuer langsam vorübergingen, waren sie doch angenehm, weil es nie zu Gewalt oder auch nur zu Drohungen kam. Niemand wurde auf den Gang geschickt und niemand störte den Unterricht. Das langsame Tempo und die ewig wiederholten Erklärungen für den Adel kamen Erik gerade in den Fächern wie gerufen, in denen er anderthalb Jahre lang Barsch gehabt hatte. Anderthalb Jahre lang hatte er an keiner Stunde Mathematik, Physik und Chemie teilgenommen und deshalb allerlei aufzuholen. Stjärnsberg schien aus zwei strikt getrennten Welten zu bestehen. Das Klassenzimmer mit den Lehrern, die nie die Beherrschung verloren, die schwierige Dinge immer aufs Neue erklärten, die sich niemals über die lustig machten, die nichts wussten, und die niemals straften, nicht einmal mit zusätzlicher Hausarbeit - das war die eine Welt. Doch sobald man den Schulhof betrat, betrat man die andere Welt, in der der Rat herrschte.
    Es war schwer, Kontakt zu den Klassenkameraden zu bekommen. Der Adel war eine Gruppe für sich, die deutlich zeigte, dass sie eben auch eine Gruppe für sich sein wollte. Sie mischten sich nicht ohne Not unter den Pöbel. Die Reichen taten es auch nicht, auch wenn sie sich nicht ganz so klar abgrenzten. In der übrigen Klasse herrschte eine Stimmung des vorsichtigen Abwartens, aus der Erik nicht klug wurde.
    Fast schienen sie zu vornehm zu sein, um sich auch nur zu zerstreiten. Es dauerte lange, bis Erik einem Klassenkameraden gegenüber die Stimme hob. Es geschah, als er nach dem Sportunterricht in den Umkleideraum kam und Arne, der Witzbold und bis zu Eriks Ankunft Stärkste in der Klasse, Pierre an seinen Fettwülsten um die Taille zupfte und ihn als Riesenbaby bezeichnete. Erik trat von hinten an Arne heran und

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