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Evil - Das Böse

Evil - Das Böse

Titel: Evil - Das Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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wollten. Es war nicht schwer, sich auszurechnen, wie schnell die ganze Schule davon erfahren würde.
    Dann ging Pierre hinein und wurde, obwohl er jegliche Schuld abstritt, unter Bezugnahme auf das »oder offenkundig« in § 8, zum ersten Mal wegen Rauchens verurteilt. Pierres Verhandlung war nach drei Minuten vorüber.
    Nachdem Erik sich mit der Bürokratie vertraut gemacht hatte, war der Arrest recht angenehm. Als erlaubte Lektüre galten Bücher für Schulzwecke und die Bibel, das reichte schon aus, damit er sich nicht langweilte. Mit etwas Fantasie und der Hilfe einiger Lehrer ließ sich die Definition von Büchern, die im Zusammenhang mit den Schulfächern standen, sehr weit fassen. Churchills Geschichte des Zweiten Weltkrieges in zwölf Bänden passierte durch eine Bestätigung des Geschichtslehrers die Kontrolle. Als Literatur, die in Zusammenhang mit dem Schwedischunterricht stand, galten gebundene Bücher schwedischer Autoren; ausländische Autoren waren erlaubt, wenn es sich bei den Ausländern um Norweger wie Hamsun oder Ibsen oder um Finnen handelte, nur der Fall Väinö Linna schien unklar (die Frage war, ob Linna Kommunist war und deshalb als ebenso unpassende Lektüre anzusehen wie pornografische Texte).
    Für Religion kam alles infrage, was überhaupt mit Religionen oder Religionsgeschichte zu tun hatte. Sogar der Zen-Buddhismus.
    Für Englisch waren es Bücher anerkannter Autoren, die in dieser Sprache schrieben, jedoch nur nach Bestätigung durch den Lehrer. Graham Greene ging durch, ebenso der langatmige und schwer verständliche Shakespeare (schwer verständlich war er vor allem für den wachhabenden Rati), eigentlich alle bekannten englischen Autoren, sofern sie nicht als unpassend oder homosexuell galten.
    Für Biologie durften es auch Reisebücher über Südamerika oder Neuguinea sein, solange sie nur von Schweden verfasst waren.
    Kurz gesagt, das Dasein im Arrest war ein einziges langes Lesefest.
    Erik machte sich einen Plan. In den ersten Stunden wollte er ausschlafen, so wie alle anderen. Also schlief er von sechs bis zehn. Ab und zu wurde er natürlich durch den wachhabenden Rati geweckt, der mit zunehmender Resignation zusätzliche Strafen für Schlafen im Arrest androhte.
    In den folgenden Stunden bis zum Mittagessen widmete Erik sich der Mathematik und anderen Fächern, in denen er aufholen musste. Für den Rest des Tages las er aus Freude am Lesen, und vor dem Schlafengehen ging er dann eine Runde Schwimmen.
    Die Stimmung in seiner Umgebung hatte sich verändert, das glaubte zumindest er selbst. Denn seit er den Präfekten und den Vizepräfekten herausgefordert hatte, nutzte er jede Gelegenheit, die beiden Richter zu verspotten.
    »Schönen guten Tag, die Herren Chefratis, wollen wir gelegentlich eine Runde durch das Karo drehen?«, schrie er, wenn sie über den Schulhof kamen, und zeigte lachend sein noch immer unversehrtes Gebiss. Die in seiner Nähe standen, stimmten zögernd in sein Lachen ein.
    Die Lehrer scherzten erfreut über seinen Lerneifer und die Nützlichkeit des Arrests, vielleicht sollte man ja die ganze Klasse übers Wochenende einsperren, wenn das dabei herauskam. Und sie nutzten jede Gelegenheit, um Erik zu unterstützen, wenn es um Konflikte mit dem Rat in der Frage ging, was als Schullektüre galt und was als Vergnügen. Schließlich galten nur noch Pornozeitschriften und Bücher homosexueller englischer Autoren nicht als Bücher für Schulzwecke, und noch später machte der wachhabende Rati sich nicht einmal mehr die Mühe, Eriks voll gestopfte Tasche zu durchsuchen.
    Das Ganze sah schon fast aus wie eine kleine Lücke im System.
    Und Tatsache war, dass im Karo wesentlich weniger Misshandlungen stattfanden als zu irgendeiner Zeit, an die man sich erinnern konnte. Es schien nicht mehr als absolut und unwiderlegbar männlich zu gelten, im Karo Mittelschüler zu verprügeln.
    Aber es kam natürlich noch immer vor. Bei den ersten beiden Malen nach seinem eigenen Kampf sah Erik gar nicht zu. Er ging davon aus, dass er alles nur widerlich finden würde.
    Aber Ende Oktober schloss er sich dann doch wie magnetisch hingezogen dem Publikum an.
    Lewenheusen und einer seiner Klassenkameraden wollten sich einen mageren Typen aus der Vierfünf vorknöpfen. Es war unklar, was der Delinquent verbrochen hatte, aber Gerüchte wollten wissen, er habe seinen Tischmajor, Ratsmitglied Lewenheusen, angemacht, wenn es so toll sei, sich zu schlagen, dann hätte er, Lewenheusen, doch die

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