Evil - Das Böse
aus dem einfachen Grund, dass man Widerstand leisten musste.
So einfach war das. Man musste.
Pierre hatte jede Menge Ausdrücke, oft auch seltsame Ausdrücke, um das Gegenteil zu sagen. Aber selbst, wenn es Erik nicht so leicht fiel, ihm zu widersprechen, so irrte Pierre sich doch, wenn er behauptete, Algerien werde nicht durch Gewalt siegen können. Mit ironischem Humor könnten sie jedenfalls erst recht nicht siegen. Pierre, der Französisch sprach, hatte ihm ja selbst Jean-Paul Sartres Vorwort in diesem Buch über die Foltermethoden der Franzosen vorgelesen. Dieser Jean-Paul Sartre war intellektuell, offenbar sogar hochintellektuell, und er dachte überhaupt nicht so wie Pierre. Dennoch hatte Pierre seinen Text gelesen, als Beweis für etwas … für …
Die letzten fünf Meter und die Handflächen schlugen gegen die Fliesen.
Er lag eine Weile da, mit der Hand über der Nylonschnur mit den Korkschwimmern, die seine Trainingsbahn vom restlichen Becken trennte. Müdigkeit machte sich in seinem Körper breit, kleine Regenbogen flimmerten um die Lampen der Schwimmhalle, und vermutlich waren seine Augen vom Chlor noch röter als sonst, so verschwommen, wie er alles sah. Seine Herzschläge konnte er noch im Unterleib spüren.
Was war das noch eben? Etwas über einen französischen Schriftsteller? Nein, dass man widerstehen musste. Ganz einfach, man musste, und deshalb musste es richtig sein. Das mit dem Karo müssten sie übrigens auch abschaffen. Das konnte man vielleicht erreichen, wenn man . wenn man .
Nein, er war zu müde. Er konnte nicht mehr denken.
Er legte den Kopf rückwärts ins Wasser, die gewohnte Bewegung, die die Haare nach hinten bringen sollte, ehe er den Beckenrand packte und sich aus dem Wasser zog. Seine Beine waren wie betäubt, als er zur Sauna ging. Das lag am Krafttraining, der neuen Methode aus den USA.
Als er in der Sauna saß und sich die Oberschenkelmuskeln rieb, um das Gefühl von Schwere und Steifheit zu vertreiben, stellte sich sein Denkvermögen langsam wieder ein, wie Luftblasen, die an die Wasseroberfläche drängten.
Pierre hatte angefangen sich zu weigern. Ebenso Arne, der Clown. Man müsste sich also den nächsten Jungen vornehmen, der zu einem Ein-Stich-Schlag verdonnert wurde, und auch ihn dazu bringen, sich zu weigern. Sie brauchten nur auf den richtigen Moment und den richtigen Jungen zu warten.
Der richtige Moment kam schnell.
Der schlimmste Tischmajor von allen hieß Otto Silverhielm und ging in die dritte Gymnasialklasse des naturwissenschaftlichen Zweigs. Er war kein Ratsmitglied, zwar adlig, aber eben kein Rati. Er verteilte bei fast jedem Essen Peppis, und es war offensichtlich, dass er es genoss. Er schlug beim geringsten Anlass zu, behauptete, jemand habe gegen die Tischmanieren verstoßen, und rief dann den Delinquenten zu sich. Er amüsierte sich damit, einen heftigen Schlag zu führen, dann aber zwei Zentimeter über der Kopfhaut seines Opfers innezuhalten. Meistens krümmte sich der Delinquent unter dem Lachen und Gespött der Umsitzenden, als habe er bereits einen schmerzhaften Schlag kassiert, und die Szene konnte sich zwei-oder dreimal wiederholen, bis Silverhielm wirklich zuschlug. Am schlimmsten war es natürlich, wenn irgendwer aus irgendeinem fadenscheinigen Grund so nachdrücklich gegen die Manieren verstoßen haben sollte, dass nur der Stöpsel der Essigkaraffe für die Bestrafung in Frage kam. Der Ein-Stich-Schlag also.
Erik sah das alles immer wieder, weil er am Nebentisch saß.
Der Junge, der diesmal Schläge bekommen sollte, war ein ziemlich kräftiger Bursche aus der Vierfünf, einer der besten Fußballspieler der Mittelschule, der schon mit einem Fuß zumindest in der Reserve der Schulmannschaft stand.
Silverhielm drückte den Kopf des Jungen nach unten und suchte ein wenig in dessen Haarschopf, um den Punkt zu finden, wo der Wirbel saß. Es empfahl sich, den Ein-Stich-Schlag genau auf die Wirbelstelle zu setzen, da der Schwester das Nähen dort leichter fiel (möglicherweise handelte es sich sogar um ihren ausgesprochenen oder wenigstens angedeuteten Wunsch).
Der erste Schlag aber ging Silverhielm daneben. Möglicherweise, weil er zu sehr herumgejuxt und deshalb zu lässig zugeschlagen hatte. Möglicherweise auch - was natürlich Silverhielms Erklärung war -, weil der, der Schläge bekommen sollte, nicht stillgehalten hatte. Es hatte kein richtiges Loch gegeben, wie Silverhielm den Zuschauern mitteilte. Also runter mit dem Kopf zu einem
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