Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Evil - Das Böse

Evil - Das Böse

Titel: Evil - Das Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
weiterhin jeden Abend. Aber er kam nicht weiter. Er war in dem Alter, wo man seine Zeiten jeden Monat um eine Zehntelsekunde verbessert, aber seit er in Stjärnsberg war, stand seine Entwicklung still. Es lag daran, dass seine Technik schlechter wurde, wenn kein Trainer am Beckenrand stand und ihn kritisierte - die Armbewegungen, die Lage des Kopfes im Wasser, den Winkel der Hände, wenn sie das Wasser durchteilten, die Wendetechnik und die Haltung des Oberkörpers. Einmal hatte er Floh angerufen, seinen alten Trainer, und um Rat gebeten. Floh hatte ihm angeboten, an irgendeinem Wochenende zum Techniktraining nach Stockholm zu kommen.
    Für die Olympischen Spiele in Rom sei es natürlich zu spät, aber wenn Erik nur sein Grundtraining auf einem akzeptablen Niveau hielte, ließe sich seine Technik auch noch in anderthalb Jahren ziemlich rasch korrigieren und verbessern. Zwei Dinge ließen sich sogar schon jetzt verbessern, auch, wenn er allein trainierte. Floh war eben aus den USA zurückgekehrt, wo er einiges gelernt hatte. Dort wurde jetzt beinhart auf Krafttraining gesetzt. Man hatte immer geglaubt, dass Muskelaufbau einem Schwimmer eher schade, dass Muskeln ihn unnötig schwer, steif und klobig machten, wenn sie nicht ausschließlich beim Schwimmen selbst aufgebaut wurden. Aber das war ein großer Irrtum, es gab jetzt ganze Krafttrainingsprogramme für Schwimmer, und Floh versprach, Erik Skizzen zu schicken. Was er außerdem allein machen konnte, war schwimmen mit einem Gummischlauch. Auch das war ein neuer Trick aus den USA. Man band Fahrradschläuche aneinander und erhielt auf diese Weise eine vier oder fünf Meter lange Gummileine. Deren eines Ende band man sich um die Handgelenke, das andere um den Startblock, und dann schwamm man, bis man die Leine nicht mehr weiter dehnen konnte, worauf man zehn Sekunden still im Wasser liegen musste. Fünfzehn solcher Übungen pro Trainingstag und zwei oder drei Stunden Krafttraining pro Woche. Er solle sich nicht davon entmutigen lassen, dass das Krafttraining ihn anfangs steif und müde machte und seine Zeiten erst mal schlechter würden. Das sei nur normal. In ungefähr zwei Monaten würde er dann den Unterschied sehen, dann solle er sich wieder melden, ja? Die Amerikaner seien übrigens fantastisch, sie trainierten mit dieser neuen Technik wie die Besessenen.
    Es kam ungefähr so, wie Floh vorhergesagt hatte. In den ersten drei oder vier Wochen wurde Erik immer steifer und müder und seine Zeiten wurden schlechter. Dann kam langsam, aber deutlich der Umschwung. Seltsam, er hatte immer gehört, Schwimmer sollten einen großen Bogen um Hanteln und Gewichte machen.
    Nach einer Runde Krafttraining kam ihm das Wasser im Becken weich und widerstandslos vor, als gleite er mithilfe des Trägheitsgesetzes beinahe schwerelos dahin, zumindest während des ersten Kilometers. Der erste Kilometer war ein Genuss, die Erklärung dafür, dass er überhaupt weitermachte und seinen Körper immer wieder fünfundzwanzig Meter auf und ab jagte. Später, wenn die Müdigkeit in ihm aufstieg, glaubte er bisweilen, im Strom der Blasen, die er ausatmete, Musik zu hören, ferne Klaviermusik, Chopin vermutlich, bei immer drei Schwimmzügen mit dem Gesicht zum schwarzen Fliesenrand und den Luftblasen in Gesicht und Ohren. Dann wieder einatmen und ein rascher Blick zum anderen Beckenrand, vielleicht zu irgendwelchen Vorübergehenden oder jemandem, der da oben stand und ihn verstohlen beobachtete, sie beobachteten ihn manchmal verstohlen, weil sie glaubten, er sehe beim Schwimmen nichts, ein neuer Blasenwirbel, drei Schwimmzüge lang, dann einatmen in die andere Richtung (auch das war etwas Neues, dass man abwechselnd auf der linken und auf der rechten Seite einatmen musste), wieder die Musik und dann ein rascher Blick auf den ewig sich drehenden Sekundenzeiger der großen Stoppuhr, um zu sehen, ob er Tempo verlor, kurz vor der raschen Wende im Blasenstrom, drei Züge vor dem Einatmen, wieder und wieder und wieder.
    Eigentlich hatte das alles keinen Sinn. Für das wirkliche Leben, das irgendwann das werden sollte, was Pierre das intellektuelle Leben nannte, spielte es keine Rolle, ob das Herz in Ruhestellung nur achtunddreißigmal in der Minute schlug oder das Lungenvolumen größer wurde, ob die Vitalkapazität bereits bei 5,5 gemessen werden konnte oder die Schulterpartie durch die ewigen Übungen mit den Hanteln im Nacken so sehr wuchs, dass ihm die Kleider zu eng wurden. Diente das alles einem

Weitere Kostenlose Bücher